6580 Höhenmeter - Training für die Anden…

 

Unter „Training für die Alpen“ habe ich mit diversen Tourenpartnern schon so manch verkorkstes Unternehmen verbucht, solange man sich dabei wenigstens ordentlich angestrengt hat. Blöderweise kamen meine Liebste und ich auf die Idee, dass wir im Oktober eine Peru-Reise inklusive der Besteigung eines technisch leichten 6000ers (Cachani) unternehmen wollen. Wenn man denn schon mal in den Anden ist, dann kann man das ja auch noch mitnehmen. Das ist zumindest aktuell der Plan.

Allerdings habe ich mich bislang nicht durch besonders große Ambitionen im Besteigen hoher Haufen ausgezeichnet, das höchste der Gefühle bei mir waren mal im Solo die Überschreitung des Weissmies (4023 m) sowie eine Skibesteigung des hinteren Fiescherhorns (4025 m). Dazu habe ich noch etliche Klettereien und Skitouren zwischen der 3000 und 4000er Marke unternommen, von wirklichem Höhentraining kann man da aber nicht sprechen. Hochtouren sind auch nicht wirklich meine größte Leidenschaft, macht mal Spaß, muss aber auch nicht so oft sein.

Bei der Holden sah das noch ausbaufähiger aus: als höhentechnisches Topziel hatte sie nur das Große Muttenhorn (3099 m) auf dem Konto, auf das wir im letzten Jahr mit leichtem Gepäck hochgewandert sind. Ein Grund dafür war, dass Susanne bislang Schnee und Gletschern nicht wirklich etwas abgewinnen konnte, so beschränkten wir uns die letzten Jahre zusammen doch eher auf die voralpinen Gebiete bzw. das Felsklettern etwas weiter unten.

Aber in diesem Jahr rufen die Anden und ohne ein gewisses Training ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dies für uns nicht gar so angenehm werden könnte, also stand der Plan: Training in den Alpen für die Anden!

Am 15.07 ging es dann in die Schweiz, der Auftakt sollte in der mir gut bekannten Furkaregion stattfinden. Dort erwanderten wir am Ankunftstag erst einmal das Kleine Furkahorn (3026 m) um uns dann im schönen Hotel Tiefenbach niederzulassen, von dem aus es am nächsten Tag zum Tiefenstock (3515 m) ging. Da war der Rucksack dann schon etwas schwerer: Steigeisen, Pickel, Seil und etwas Kletterkram sorgen für das notwendige Trainingsgewicht. Um 6 Uhr in der Früh ging die Hatscherei dann los, mit Ziel Tiefengletscher. Den Tiefengletscher bis fast ans Ende konnte man noch halbwegs bequem auf dem Schutt latschen, zum Einstieg zur Kletterei auf den nördlichen Tiefensattel hin steilte es dann aber wie erwartet auf etwa 50 Hm gut auf und die Liebste durfte sich zum ersten Mal mit Steigeisen und Pickel eine kleine Firnflanke hocharbeiten. Ich war im Februar schon einmal mit Stefan als Skitour auf dem Tiefenstock, deshalb wusste ich auch was uns dort so halbwegs erwartet. Die ersten dreißig Meter recht glatten Felses sind mittlerweile klettersteigartig mit Eisenkrampen versehen, danach kommen noch vier kurze SL gut gesicherte Kletterei bis max. III in, äh, recht mobilem Fels. Was ich nicht so ganz auf dem Schirm hatte war der Bergschrund den es jetzt im Juli hatte, der war im Februar nämlich nicht vorahnden. Dessen Überwindung erforderte für die eher kleingewachsene Gattin einen recht interessanten Überfall vom Firn an die Eisenkrampen, aber s´ging ooch. Bis in den Tiefensattel dauerte es dann ob Gegenverkehr und da ich die Liebste durch das Gelände nicht ungesichert hochbringen wollte doch länger als gedacht. Irgendwie war dann nach dem Tiefensattel am Gipfelaufbau bei uns die Luft langsam raus und ob der fortgeschrittenen Zeit drehten wir dann etwa 70 hM unter dem Gipfel um. Die technischen Schwierigkeiten waren eh vorbei und durch die aufgezogenen Wolken war die Hoffnung auf eine tolle Aussicht vom Gipfel und dadurch meine Motivation weiterzusteigen auch weg. Dann Retour, abseilen den Tiefensattel runter, zwei Seilverhänger beim Abziehen, wieder raufklettern, den sulzigen Gletscher runterhatschen etc.. Am Ende waren wir 12 Stunden unterwegs und ziemlich geschafft und haben gemerkt: Wir brauchen mehr Training!

Und deshalb ging es nach einer weiteren Nacht im Tiefenbach ins Wallis um zur Bordierhütte (2886 m) aufzusteigen. Erstaunlicherweise waren wir trotz schweren Gepäcks und praller Sonne fit im Aufstiegt und konnte die sehr schön gelegene Hütte in der im Führer vorgegeben Aufstiegszeit erreichen. Das Training am Tage zuvor hatte also doch schon etwas gebracht. Weiterer Pluspunkt: Wieder etwas Gletscherkontakt für Susanne beim Hüttenzustieg. Montags war die Hütte schön leer und anderntags um 6.00 Uhr stiegen wir zum großen Bigerhorn (3626 m) auf, dessen Gipfel technisch unschwierig aber recht schottrig nach zwei Stunden erreicht wurde. Der Gipfel ist nicht besonders erhaben, aber eine Aussichtswarte allerersten Ranges: Im Norden stolz das Bietschhorn, im Osten die Weissmiesgruppe, im Westen der komplette Nadelgrat in all seiner Pracht und dahinter das erhabene Weisshorn. Weit und breit waren keine anderen Leute und wir waren oben in der Morgensonne: Einfach nur herrlich und Susanne war vom für sie nicht bekannten hochalpinen Ambiente einfach begeistert.

Nach dem 2000 hM Abstieg ins Tal, allerdings mit einem Kaffee-und-Kuchen-Boxenstop an der Bordierhütte, quartierten wir uns dann auf einem Camping im Rhonetal ein. Anderntags wollten wir dann mit dem Allalinhorn den klassischen Einsteigerviertausender angehen: Geringe technische Schwierigkeiten, immer eine ausgelatschte Spur und eine Bahn die einen schon auf gut 3500 m bringt. Also ab nach Saas Fee und um kurz nach 07.00 Uhr waren wir an der Talstation. Dort wartete schon ein ganzer Pulk Sommerskifahrer und auch Hochtouristen auf die erste Bahn um 07.15. Leider kam dann die Ansage des Liftpersonals der Felskinnbahn: heute Nacht hat ein Blitz in die Bahn eingeschlagen, wir wissen nicht, wann und ob da heute was geht. Das war jetzt natürlich doch etwas blöd. Da sich nach einer Stunde immer noch nichts regte und die Menschenmenge an der Talstation immer größer wurde verließ mich auch die Lust. Da Flexibilität alles ist fuhren wir nach Saas Grund und nahmen die Bahn zum Kreuzboden auf etwa 2400 m. Von dort latschten wir unter dem Lagginhorn vorbei zum Berggasthaus Hohsaas (3200 m) und gönnten uns ein gepflegtes Mittagessen (die Felskinnbahn fuhr übrigens immer noch nicht). Immerhin besser als im Rhonetal den Tag totzuschalgen. Nach Abstieg zum Kreuzboden rollten wir dann mit Trottis (geländegängige Roller) ins Tal, die man sich an der Liftstation mieten konnte. Eine ziemliche Gaudi, auch wenn sich die Holde von mir partout nicht zu einer höheren Abfahrtgeschwindigkeit nötigen lassen wollte, aber jeder wie er es mag.

Nach diesem unverschuldeten 4000er-Sack musste noch ein höheres Ziel her und so fuhren wir am Donnerstag nach Zinal. Es lockte der lange Aufstieg auf die Tracuithütte (3256 m) und das technisch eigentlich leichte Bishorn. Eigentlich…

Im Regen ging es die ersten zwei Stunden im angenehm kühlen Regen und dann noch weitere 2 ¼ Stunden bei gutem Wetter zur Hütte. Trotz vollem Rucksack haben wir die Zeitangabe im Führer noch um 15 Minuten unterboten. Wenn man das mit unserer konditionellen Verfassung am Tiefenstock ein paar Tage zuvor vergleicht so hatten wir schon gemerkt, dass uns das Training echt schnell fit gemacht hat. Der im Känelschen Alpin-Plaisir-Führer als „mörderisch“ bezeichnete 1600 hM Hüttenanstieg fiel uns dann doch ziemlich leicht. Den Rest des Tages verbummelten wir auf der schönen neuen Hütte und konnten durch die Panoramafenster einige Hagelschauer beobachten. Das mäßige Wetter erklärte auch, dass wir nur 13 Gäste auf der ansonsten stark frequentierten Hütte waren, die anderntags alle das Bishorn als Ziel hatten.

Zu diesem starten wir mit den anderen dann Freitag morgens bei bestem Wetter um halb sechs. Leider war es morgens schon recht warm und der Schnee auf dem Gletscher war nicht gescheit durchgefroren. Da der vorangegangene Winter an sich extrem schneearm war, war die Spaltenzone auf dem Turtmanngletscher über die man muss, auch nur noch sehr dürftig schneebedeckt. Die Spur vom Tag zuvor war teils schon durch einbrechende Brücken verschwunden und die direkt vor uns Laufenden brachen morgens schon öfter durch dünne Spaltenbrücken. Tja, da machte ich mir nach einer Stunde auch mal etwas Gedanken: Das wird im Abstieg nicht besser, wenn da noch ein paar Stunden die Sonne eingeheizt hat. Ich habe zwar mal einen Spaltenbergungskurs gemacht, aber Susanne nicht und ich weiß nicht ob es die beste Idee ist, wenn Sie das erst in dem Moment autodidaktisch lernt, wenn ich als Vorausgehender in einer Spalte hänge. Zudem ist bei unserer Seilschaft der Gewichtsunterschied ungünstig (76 vs. 45 kg), ich habe keine Ahnung ob Susanne überhaupt einen Sturz von mir halten könnte. Das hätte man doch wohl besser mal vorher im harmlosen Gelände geübt, aber damit wissen wir schon, was wir alsbald nachholen müssen. Klar wahrscheinlich hätte das alles auch gutgehen können, aber ich beschloss dann, dass wir besser umdrehen, mir war bei der ganzen Sache nicht sonderlich wohl. Ich hätte besser noch irgendjemanden mitgenommen und wir wären als Dreier- oder Viererseilschaft los. Aber das fällt einem dann doch immer erst ein, wenn es zu spät ist. Den Abstieg schafften wir dann in etwas mehr als zwei Stunden und es ging wieder heim. Gesackt, am Bishorn, bei Superwetter. Passiert…

Das Resümee: Wirklich große Höhen wurden nicht erreicht, aber dafür sind wir in sieben Tagen mit teils schwerem Gepäck 6580 hm im Aufstieg und genauso viel im Abstieg auf 61.3 km Wegstrecke gelatscht (per GPS Track gemessen). Alles Training! Zudem hatten einen sehr schönen Urlaub im großartigen Ambiente zusammen und das ist natürlich auch ein Wert an sich.

 

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© Thomas Schaub