Spätsaison: Hochtour auf den Fluchtkogel im Oktober (2023)

 

09.10.2023: Wir stehen um 08:15 Uhr auf dem Gipfel des 3494 m hohen Fluchtkogel und man könnte meinen es ist ein perfekter Sommertag: Plusgrade, beste Fernsicht und ringsum alles aper. Aber es ist halt Mitte Oktober…fühlt sich so nicht ganz richtig an.

 

Mit Christian hatte ich schon länger geplant, noch irgendwas alpines außer der Saison zu machen, wenn die Bedingungen „normalerweise“ nicht mehr so pralle sind. Letztendlich entschieden wir uns dann für die Ötztaler Alpen mit Stützpunk Brandenburger Haus auf 3277 m, um dort irgendeine Hochtour zu unternehmen, v.a. da ich in der Ecke vorher noch nie war.

Bei bewölktem Himmel aber doch recht warmem Wetter machen wir uns am 08.10 an den etwa sechsstündigen Aufstieg von Vent (1895 m) aus zum Brandenburger Haus. Der Aufstieg ist zwar lang (14.9 km und 1462 hm), aber durchaus als schön zu bezeichnen. Es ist aber auch hier krass zu sehen, wie weit sich die Gletscher dort schon zurückgezogen haben, wenn man z.B. die Markierung des alten Gletscherstandes am Hochjochhospitz sieht, an dem man im Aufstieg vorbeikommt. Da alle höheren Hütten in der Gegend schon in der Winterpause waren, war niemand außer uns unterwegs. Bergeinsamkeit in einer ansonsten recht stark frequentierten Region. Gegen Ende des Aufstieges zum Brandburger Haus ging es dann auf den aperen Kesselwandferner, gegen Ende mehr oder minder im Slalom, da die Spalten nicht mehr überdeckt waren. Außer uns war niemand im Winterraum er Hütte und zum Abend hin stiegen wir dann noch auf die Dahmannspitze (3401 m), quasi der Hüttengipfel.

 

Am anderen Morgen um 06:50 starteten wir mit dem anbrechenden Sonnenaufgang dann den Aufstieg über den Kesselwandferner zum Fluchtkogel. Es war völlig klarer Himmel, zwar windig, aber sehr warm (Fön). Die Gletscheroberfläche war über Nacht, obwohl diese sternenklar war, nicht mal durchgefroren. Um kurz vor sieben, Mitte Oktober, auf gut 3200 m. Ich glaube das ist so nicht wirklich normal und für die Gletscher nicht gut. Allerdings hatte das große Vorteile, was die Bedingungen für die Tour anging: Da alles aper war, sahen wir jede Gletscherspalte und konnten die problemlos umgehen. Durch die gut angetaute Oberfläche griffen zudem selbst im steileren Gelände die Steigeisen super auf der ansonsten blanken Gletscheroberfläche. Deshalb konnten wir mehr oder minder einfach und wenig anstrengend im Eis auf den Fluchtkogel latschen. Gegen Ende dann auch mal etwas steiler, so dass durchaus Hochtourenflair aufkam. Wie eingangs erwähnt waren wir dann um 08:15 am Gipfel. Es war warm und die Fernsicht super. Außer uns niemand weit und breit und rings um uns herum sterbende, vor sich hinschmelzende Gletscher… Im Abstieg wählten wir dann ab dem Oberen Guslarjoch (3116 m) den Guslarferner. Der ist im oberen Teil zwar etwas steil und spaltig, aber die konnten wir bei der starken Ausaperung ganz gut am Rand im Felsschutt umgehen, weiter unten sah man dann ob völligem Mangel an Schneeauflage eh jede Spalte. Krass war halt, dass wir auf dem Gletscher selbst auf gut 3200 m morgens um 9 Uhr schon überall das Schmelzwasser gluckern und fließen hören konnten. Nicht gut, wenn die Gletscher so spät im Jahr und früh am Tag auf der Höhe schmelzen. Der Abstieg führte dann an der (geschlossenen) Vernagthütte vorbei nach Vent. Ein geschenktes Wochenende mit perfekten sommerlichen Hochtourenbedingungen. Die Frage ist nur, ob das wirklich so gut ist Mitte Oktober?

 

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© Thomas Schaub