Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? - Kalymnos

 

Kalymnos, die Sportkletterinsel schlechthin, was habe ich mich über Kalymons in den letzten Jahren schon abfällig geäußert ohne das ich bislang dort gewesen bin: Total gehypt und überlaufen, Konsumkletterei, überbohrt, nur Klettergartentouren, Kalkmist, zu soft bewertet und so weiter.

Von der Insel haben die meisten Kletterer zumindest schon einmal gehört und ich sagte öfters aus Spaß: „Nach Kalymnos geh ich mal mit 70, wenn ich sonst nichts mehr hochkomme und die Routen dort dann total abgespeckt sind!“. Meine Kletterkumpels haben mir sogar noch vor ein paar Jahren extra einen Kalymnoskletterführer zum Geburtstag geschenkt, um mich zu ärgern. So lief das Ganze über Jahre vor sich hin.

 

Glücklicherweise halte ich es doch manchmal wie Adenauer: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? Nichts hindert mich, weiser zu werden.“ Und so ging es die erste Aprilwoche doch nach Kalymnos, und wir haben es wirklich nicht bereut.

Aber wie kam es trotz meiner Vorurteile dazu? Wer sich den Namibiabericht hier auf der Seite durchliest wird feststellen, dass ich im letzten Jahr klettertechnisch dort nicht sonderlich erfolgreich war. Ich habe nach ein paar recht erfolglosen Klettertagen in der Wüste zu meiner Liebsten gesagt: „Jetzt sind wir schon um die halbe Welt geflogen, und dann komm ich das meiste von dem Trad-Zeug nicht hoch, das ist doch frustrierend! Nächstes Jahr fliegen wir nach Kalymnos, ich will einfach mal eine Woche lang Routen klettern, ohne mir einen Kopf machen zu müssen.“

Zudem stehen in diesem Jahr noch eine Hochtourenwoche und zwei Wochen Anden an, das wird sowieso anstrengend genug. Haken clippen in der Sonne nur mit Expressen am Gurt kann ja durchaus auch Spaß machen (siehe Malta) und man kommt langsam in ein Alter, wo Erholung auch nicht verkehrt ist.

 

Gut, es hätte dafür genügend andere Destinationen in mediterranen Gefilden gegeben, es musste ja nicht unbedingt Kalymnos sein. Allerdings stand schon länger eine Einladung von Ludger, der dort ein Häuschen (von mir als „Ludgers Burg“ bezeichnet) sein eigen nennt, wo er mit seiner Frau einen guten Teil seines Frühruhestandes geniest und sich dadurch auch sehr gut auf der Insel auskennt. Also warum dann nicht gleich in den Hades der Sportkletterei! So kam es dann also, dass wir zusammen mit Ludger und Michaela (eine gemeinsame Kletterbekanntschaft aus Köln) die erste Aprilwoche auf Kalymnos verbrachten.

 

Wie oben schon angedeutet hat es uns sehr gut dort gefallen, die Insel ist wirklich voll aufs Sportklettern ausgerichtet und er Fels ist fantastisch. Wie hinreichend bekannt ist Kalymnos ein reines Sportkletterziel, die Routen sind allesamt eng gebohrt, so dass jegliches mobiles Sicherungsmaterial getrost zu Hause bleiben kann. Der Großteil der Routen sind Einseillängenrouten mit Klettergartencharakter, so dass man immer nur mit leichtem Equipment klettern und gemütlich zum Wandfuß abgelassen werden kann.

Die Insel ist relativ klein und die aktuell mehr als 3000 Routen sind in Sektoren verteilt, die alle doch recht nahe beieinander sind, wodurch man mit nur wenig Fahrerei und Zustieg eine unglaubliche Auswahl hat. Was unserer Familienplaisirseilschaft sehr gelegen kam war, dass es eine Fülle an sehr schönen Touren im für uns optimalen Bereich 5a bis 6a+ gab und wir die Qual der Wahl hatten. Die Erschließung geht immer noch eifrig weiter, so dass die eh schon große Auswahl noch weiter steigt.

 

Gerade die leichteren Routen gehen meist durch grauen, plattigen und kompakten Kalk allerbester Güte mit ganz tollen Grifformen. Abgespeckte Routen haben wir eigentlich keine gefunden, obwohl wir in einigen der beliebten Sektoren waren. Aber es hat auch überhängende, bizarr großhenkelige Klettereien, die deshalb nur irgendwo im fünften Franzosengrad eintüten. Das sind Routen, solche großen Griffe würde man in der Halle nicht anschrauben wie z.B. „Phineas“ in Symplegades oder „Henkelparade“ in Palionisos Bay. Saulustig! Meist sind die Routen schon sehr angenehm bewertet, allerdings habe ich es sogar auf Kalymnos geschafft, diesbezüglich eine Niete zu ziehen: wie man die „Tsarouhis“ in Kastelli für 5c+ klettern soll hatte sich mir nicht erschlossen. Naja, passiert. Aber um wirklich eine schlechte Route auf Kalymnos zu klettern muss man schon gezielt suchen, der Großteil ist halt einfach richtig gut.

Ich habe noch ein paar wenig ambitionierte und dadurch erfolglose Versuch in 7a´s gemacht, mich dann aber doch eher auf Routen bis 6a+ beschränkt, die ich problemlos hochkam und mir auch die Holde noch nachsteigen konnte. Ich wollte da nicht ewig irgendwas ausprobieren und die Gattin zum Sicherungsgerät degradieren. Für die Leute die über 7a klettern ist der Tisch dann natürlich voll gedeckt mit den ganzen stark überhängenden Sinterklettereien an den reichlich vorhandenen Grotten.

 

Auf der kleinen Nachbarinsel Telendos kann man sich von den lokalen Bootsführern für ein paar Euro auch direkt an der Küste bei den jeweiligen Sektoren absetzten lassen und spart sich so einiges an Latscherei. Das läuft dort alles sehr relaxt. Auf Telendos gibt es auch ein paar sehr schöne längere Routen, so sollte man sich z.B. nicht die „Wings for Life“ (6a, 250m) entgehen lassen: Ganz tolles Ambiente, toller Fels und der Abstieg ist eine schöne zweistündige Wanderung über die Insel. Der gefährlichste Teil der Tour ist das Übersetzen aus dem Boot an die Felsküste bei etwas Seegang. Auf die vielen weiteren Routen die wir gemacht haben gehe ich jetzt nicht näher ein, einfach hingehen und was klettern.

 

Was die Kletterei dort noch sehr angenehm macht ist der Umstand, dass die Insel außer Kletterern nicht viel anderen Tourismus hat, d.h. man ist als Kletterer bei den Einheimischen hochgradig willkommen, und fühlt sich dadurch sehr wohl dort. Auch ist der Großteil der Insel Brachland und taugt nur für ein paar Ziegen, und die stören sich nicht an den Kletterern. So gibt es nirgends Stress, weil die Zustiege nicht über irgendwelche Felder gehen oder anderweitig genutztes Gelände am Wandfuß liegt. In anderen Gebieten kann dies ja durchaus ein Problem sein, dort nicht.

Hinzu kam noch das angenehme Wetter in der Ägäis Anfang April: wir hatten keinen Regen in der Woche und die Temperaturen lagen irgendwo zwischen 18-20°C aber es in der Sonne am Fels doch schon ordentlich warm werden konnte. Klettertechnisch war es erst Anfang der Saison, weshalb noch nicht sonderlich viele Kletterer auf der Insel waren und auch verhältnismäßig wenig Betrieb am Fels herrschte.

 

Dies alles zusammen führte dazu, dass die Kletterei ultraentspannt und genüsslich war. Nur Klettern, ohne irgendwelchen Stress oder moralischen Anspruch. Ok, auf Dauer wird das sicher etwas öde, weil das Salz in der Suppe fehlt, es ist aber eine schöne Abwechslung. Das tat richtig gut und auch meiner Holden lief die Kletterei voll rein, so dass sie auch ein paar Routen vorgestiegen hat, was sie eigentlich sonst so gut wie nie macht (wenn nicht dort, wo sonst?).

 

Den ganzen Tag klettern, Sonne und abends in eine der Tavernen bei ordentlicher lokaler Kost, so könnte es immer sein. Neben der Liebsten mit Michaela und Ludger noch eine sehr angenehme Begleitung, das war ein richtig entspannter Urlaub auf der Spaßkletterinsel. Eine rundum feine Sache und ich konnte ein paar Vorurteile loswerden…

 

 

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© Thomas Schaub