Henkelorgien Down Under – Arapiles und Grampians (2019)

 

„Take an idyllic setting, add perfect rock, warm weather and clear blue skies. Now add some of the best trad-climbing in the world. Welcome to Araplies.” So steht es auf dem Umschlag des Kletterführers geschrieben und dem kann ich nur uneingeschränkt zustimmen. Im November 2019 konnten wir einige Tage am Mount Arapiles und in den Grampians klettern und ich muss sagen, das waren mitunter die besten Klettertage die wir bislang hatten! Fantastischer fester Henkelfels, lange, cleane und leichte Routen an denen wir richtig Spaß hatten. Plaisir ohne Bolts.

 

Der Mount Araplies und die benachbarten Grampians liegen im Süden Australiens gut 3-4 Stunden Autofahrt nordwestlich von Melbourne. Tiefste Agrarprovinz und das umliegende Land ist topfeben bis zum Horizont. Beide Klettergebiete sind ein Traum für Tradleichtkletterer und als passionierter Pfalzkletterer fühlte ich mich dort sauwohl. Schwereres gibt es dort natürlich auch zuhauf, für die Seilschaft Schaub-Schaub brauchte es aber eher den leichten Kram. Hier ein paar Infos zu den beiden Gebieten:

 

 

Mount Araplies

 

Der Mount Araplies ist ein Inselberg, von den Einheimischen auch als „Ayers Rock von Wimmera“ bezeichnet, umgeben von topfebenen Weizenfeldern und ein paar Seen. Der kleine Berg wirkt deshalb in dieser Landschaft herrlich deplatziert. Der Fels besteht aus ultrasolidem und rauem Quarzit, den zu Beklettern ein Traum ist. Der Quarzit war vor Äonen mal der gleiche Sandstein wie in den Grampians, wurde aber durch eine Magmaader darunter zu solidem Quarzit verbacken. Was die Kletterei dort so genial macht ist der Umstand, dass der Arapiles vor ein paar Millionen Jahren noch eine Meeresklippe war und der Fels dementsprechend von der Brandung modelliert wurde, d.h. Henkel im Überfluss! An dem etwa 2.5 km langen und bis zu 130 m hohen Cliff gibt es über 2500 Routen und „Trad is King“! Was mobil abzusichern geht hat man mobil abzusichern, was auch die Stände beinhaltet. Irgendwelche Komfortstandringe sucht man dort vergebens, aber das stark strukturierte und sehr solide Gestein frisst bereitwillig mobiles Sicherungsmaterial, vor allem kleinere Keile sind sehr nützlich. Mit einem pfalztypischen Rack (Cams bis 3, einem Bündel Keile dabei kleinere doppelt sowie ein paar Schlingen) ist man für viele Touren eigentlich gut gewappnet. Bewertet sind die Routen nach der australischen Schwierigkeitsskala, welche von 1 bis 35 reicht. Grob kann man die Schwierigkeiten durch Drei teilen, dann ist man in etwa bei dem entsprechenden UIAA Schwierigkeitsgrad, aber eher wie er für klassische Pfalzrouten vergeben wird. Der Kletterführer meint hierzu: „Visiting Climbers may find that Arapiles routes are often a bit stiff for the grade due to their sustained and thought-provoking nature.” Da auch Sandbagging durchaus vorkommt, können also etwas Reserven nicht schaden.

 

Geklettert wird am Arapiles seit den frühen 60er Jahren und auch heute noch ist er wohl das auch in Übersee bekannteste Klettergebiet Australiens. Die meisten Kletterer kennen wohl das Bild von Stefan Glowacz, wie er im free-Solo einhändig an der Dachlippe der „Kachoong“ hängt und mit der „Punk in the Gyms“ von Wolfgang Güllich war dort auch für eine Zeitlang die schwerste Kletterroute der Welt zu finden. Durch die im Gebiet gelegenen Campingplätze für Kletterer ist auch eine felsnahe Unterkunft kein Problem und dadurch wohl auch immer was los. Auch wenn es zuhauf tolle Routen in allen Schwierigkeitsgraden gibt, kam uns zugegen, dass es dort richtige viele und dazu noch schöne Routen niederer Schwierigkeit gibt (also so im UIAA Bereich 2-5). Ob der starken Strukturierung sind diese meist schon recht steil, wenn man es mit Routen gleicher Schwierigkeit bei uns vergleicht. Hinzu kommt noch, dass viele der Routen zwischen 60 und 130 m lang sind und man deshalb auch durchaus etwas steigen darf. Beispielsweise die „Tip-Toe Ridge“, im Kletterführer als „One of the finest routes of it´s grade in the world – an absolute must-do for every visitor to Arapiles” ist eine fantastische Genusskletterei und nicht schwerer als 3, was man nicht denkt, wenn man die Linie zum ersten Mal sieht. Aber die mannigfaltigen Henkel machen einem das Leben leicht. Dadurch, dass in den leichtern Wegen nichts steckt (d.h bis zum oberen sechsten Grad und danach auch nur, wenn mobil nichts geht), hat man auch in den leichten Wegen dann wenigstens etwas mit der Absicherung zu tun und auch Wegsuche sowie das Standplatzbauen macht es interessant. Wären diese Routen eingebohrt, wäre es wohl eher öde.

 

Aber nicht nur wir waren eifrig am leichte Wege machen, auch von den zahlreich am Fels vertretenen Einheimischen, wurden etliche der leichteren Routen geklettert. Die Zustiege sind meist sehr kurz (5-15 Minuten), was natürlich auch lauffaulen Kletterern entgegenkommt. Abseilringe gibt es eigentlich nur auf den paar freistehenden Gipfeln wie dem mächtigen Pharo oder an den Organ Pipes, ansonsten wird zu Fuß abgestiegen, was meist recht gut ging.

Quintessenz vom Arapiles wie es die Aussies ausdrücken würden: „Big jugs, big fun!“

 

 

Grampians

 

Die Grampians sind ein etwa 100 km langes Mittelgebirge und der letzte Ausläufer der Great Dividing Range. Diese liegen etwa 80 km vom Mount Araplies entfernt, für australische Verhältnisse also quasi direkt daneben. Der Fels besteht aus Sandstein exzellenter Güte, ist aber nicht zu Quarzit verbacken wie am Arapiles. Aber auch hier ist der Fels teils bizarr großhenkelig strukturiert und deshalb herrlich zu beklettern. Ich fand es sehr interessant, an welchen Strukturen man dort ziehen oder sich draufstellen kann, vor allem wenn man den qualitativ doch deutlich schlechteren Pfalzsandstein gewohnt ist. Das Gebiet ist deutlich weitläufiger als der Arapiles und Zu- sowie Absteige können dann schon mal in Bushwalking ausarten. Auch in den Grampians gibt es etliche Trad-Routen, aber auch wie bei uns Gemischte (zu den Bohrhaken zusätzliche mobil Sicherung notwendig) und viele eingebohrte Sportrouten. Den Mix kann man sich in etwa wie bei uns in der Pfalz vorstellen und der gemeine Pfalzkletterer sollte sich deshalb dort wohlfühlen. Beeindruckend ist zum Beispiel das mächtige Amphitheater am Mount Stapylton: Im linken, grauen Wandteil sind die leichten Tradrouten mit bis zu 100m Länge, an die wir uns gehalten haben, rechts ist dann die orange-überhängende und beeindruckende „Taipan-Wall“ mit den schweren Routen, die dem ein oder anderen Hardmover sicher auch ein Begriff ist. Am Wandfuß sind dazu noch haufenweise wunderbare Boulderblöcke im Eukalyptuswald verteilt, in Summe also ein großer Spielplatz für jedes Kletterkönnen. Vor allem in der südlich gelegenen Victoria-Range wurden in den letzten 20 Jahren etliche Sektoren mit hunderten Routen neu erschlossen, meist eher Sportklettereien der höheren Liga.

 

Leider ist die Situation in den Grampians derzeit angespannt. Die Grampians sind ein Nationalpark und seit diesem Jahr bestehen erhebliche Kletterverbote. Angeblich weil Kletterer Routen in Höhlen eingebohrt haben, in denen es alte Aboriginal-Malereien gibt. Die lokalen Kletterer halten dies aber für einen vorgeschoben Grund, weil die Nationalparkverwaltung weniger Kletterer dafür mehr Premiumwanderer im Nationalpark haben will (das Wanderwegenetzt soll ausgebaut und verbessert werden). Zu der ganzen Situation siehe: savegrampiansclimbing.org . Momentan ist im Prinzip die ganze oben erwähnte Victoria Rang mit den neuern Routen gesperrt. In Summer sind derzeit über 3000 Routen gesperrt! Von den größeren und bekannteren Sektoren sind im Prinzip nur noch der Mount Stapylton, die Asses Ears und die Klettereien um Halls Gap offen, mal schauen, wie sich die Sache weiterentwickelt. Anderseits frage ich mich, wie die Locals mit dem Verbot umgehen. Einer meinte zu uns: „Wenn ihr in der Victoria Range klettern wollte, dann macht es einfach. Es ist eh sehr unwahrscheinlich, dass dort ein Ranger vorbeikommt. Und selbst wenn, dort gibt’s es keine Verbotsschilder am Fels, dann stellt euch einfach dumm und sagt ihr sei Deutsch die nichts verstanden haben.“ Naja, wir haben uns dann trotzdem mal an die Verbote gehalten, es gab ja auch in den freien Teilen für uns genügend zu tun.

 

 

In den sieben Klettertagen, die wir in den beiden Gebieten verbracht haben, kamen wir auf 1166 Klettermeter, verteilt auf 46 SL im australischen Schwierigkeitsgrad 5 bis 15 (umgerechnet in etwa UIAA 2 bis 5+), wobei ich nur in einer einzigen Seillänge Bohrhaken geklippt habe und das war ausgerechnet noch ein eingebohrter Schulterriss. Also wen es mal halbwegs in die Nähe verschlägt, auf jeden Fall hingehen und Klettern. Der Fels und die Kletterei sind in beiden Gebieten einfach genial, Henkelorgien vom allerfeinsten. Das einzige Manko: Die Anreise ist verdammt lang.

 

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© Thomas Schaub