Es wäre vollbracht, wir waren in Australien und damit auf allen sieben Kontinenten. Dies ist unser vorläufiger Abschluss der in Etappen aufgeteilten Weltreise der letzten zehn Jahre und wir gehören wohl zu den wenigen „Allkontinentlern“, bei denen die Antarktis nicht der letzte Kontinent war der besucht wurde. Sehr schöne Erinnerungen haben wir aus den vergangenen Jahren dabei mitgenommen und vor allem konnten wir am eigenen Leibe erfahren, wie bezaubernd und vielfältig unser Planet eigentlich ist, trotz viel menschgemachtem Unbill, zu dem wir leider auch unseren Teil beitragen.
Aber das soll jetzt kein Flugschamlamento werden, sondern ich will ein paar Eindrücke aus einer schönen und ruhigen Ecke Australiens zum Besten geben.
Um noch vor meinem 40er alle Kontinente besucht zu haben ging es also diesen Spätherbst in den australischen Spätfrühling. Urlaub im November auf der Südhalbkugel ist für ein kinderloses Paar wie uns immer ideal, weil zu dieser Zeit eigentlich niemand Ferien hat und man den trüben und kürzer werdenden Tagen bei uns in den grünen Frühling weit im Süden entfliehen kann. Nach dem aus diversen Gründen sehr stressigen Jahr (neues Eigenheim und Umzug, 100 Jahr-Feierlichkeiten vom Verein und massive Jobauslastung) hatten wir uns auch sehr nach zwei Wochen Auszeit gesehnt.
Da bei der Reise nach Australien sowieso ein Zwischenstopp anfiel, haben wir uns auf der Anreise noch zwei Tage Singapur gegönnt, vor allem da die Liebste noch nie in Südostasien war (über Singapur siehe auch: www.morchel.org/ziele-geschichten/im-fernen-osten/). Die Holde war schon beeindruckt von dem kleinen aber hochmodernen Stadtstaat in Äquatornähe. Bei Nacht ist Singapur schon schön zum Flanieren, das Essen aus verschiedensten Kulturkreisen sehr vielfältig und köstlich und wir konnten noch den höchsten Berg Singapurs im Stadtdschungel besteigen. OK, der Haufen ist nur 163m hoch, schweißtreibend war der Aufstieg ob der ungewohnten tropischen Schwüle für uns trotzdem.
Weil wir in den letzten Jahren einige Rundreisen unternommen hatten, stand es uns dieses Mal danach, unsere Zeit in Australien nur an einem Ort zu verbringen. In zwei Wochen auf einer Rundreise Australien kennen zu lernen ist auch utopisch, das Land ist verdammt groß. Auf die üblichen touristischen Must-See´s für Europäer auf ihrem ersten Australientrip wie Sydney, Great-Barrier-Riff, Great-Ocean-Road oder dem Uluru haben wir deshalb auch einfach komplett verzichtet und uns in die australische Provinz abseits der Touristenströme aus Übersee verzogen. Und zwar ins Wartook-Valley, welches nicht mal die Grenzbeamtin bei der Einreise kannte, als diese uns nach unserem Aufenthaltsort in Australien fragte („Wartook-Valley? Where the hell is this? I´ve never heard of it.”). Das Wartook-Valley liegt etwa vier Autostunden nordwestlich von Melbourne entfernt im Landesinneren an den Füßen der Grampians, eines Mittelgebirges und Nationalparks. Auf einem einsam gelegenen Campingplatz hatten wir uns in eine Hütte eingemietet und von dort aus die Gegend erkundet. Für mitteleuropäische Verhältnisse ist die Region mit etwa vier Einwohner pro Quadratkilometer sehr dünn besiedelt. Davon leben die meisten in der etwa 50 km entfernt liegenden Hauptstadt der Region Horsham (zu der wir auch immer zum Einkaufen fahren mussten, weil es auch die nächste Ortschaft war) welche aber auch nur knapp 15 000 Einwohner hat und damit weniger als das Dorf in dem wir leben. Immerhin gab es einen Aldi mit Importwaren, die ich dort eher weniger erwartet hätte wie German Bockwurst, Christstollen oder Spekulatius. Für australische Verhältnisse ist die Gegend aber noch ganz ordentlich besiedelt, im Outback ist schließlich noch viel weniger los. Die ganze Gegend war tiefste, landwirtschaftlich geprägte Provinz aber mit herzlichen Einwohnern. Die Grampians selbst sind die letzten Ausläufer der Great Dividing Range und ein recht ordentlich bewaldetes Sandsteingebirge. Teils erinnerte es in den Höhenlagen an den heimischen Pfälzerwald, wenn man sich anstatt krüppeliger Eukalyptusbäume Kiefern vorstellt. Die umliegende Gegend hingegen ist platt wie ein Pfannkuchen und besteht im Prinzip aus riesigen Weizenfeldern und Wiesen für Schafe. Daraus sticht dann noch der etwa 80 km von den Grampians entfernte Inselberg Mount Arapiles hervor, liebevoll von den Einheimischen auch als „Ayers Rock des Wimmera“ bezeichnet, mit den kleinen Unterschieden, dass drumherum Weizenfelder anstatt Wüste sind und man am Arapiles hervorragend klettern kann und vor allem darf. Das war nämlich auch der Hauptgrund, warum wir diese Ecke Australiens als Ziel gewählt haben, Mount Arapiles und die Grampians sind nämlich Klettergebiete von Weltklasse. Zur Kletterei dort gibt es aber einen dezidierten Bericht, weshalb ich hier nicht näher darauf eingehe.
Unsere Unterkunft in den Eukalyptuswäldern lag wirklich herrlich und das Gastgeberehepaar war auch überaus freundlich und gesprächig. Die meinten auch zu uns, dass sich eigentlich eher selten Gäste aus Europa zu ihnen verirren und vor allem bleiben die dann normalweise keine zwei Wochen. Für uns besonders toll waren natürlich die Kängurus, die sich morgens und abends zum Fressen um die Hütte tummelten. Was für lustige Viecher, vor allem wenn sie in einem Affenzahn durch die Gegend springen. Blöderweise haben die Kängurus es nicht so mit dem Fliehen vor nahendem Autoverkehr, wovon die leider vielen überfahrenen Kängurus am Straßenrand zeugen. Vor allem in der Dämmerung muss man da höllisch aufpassen, dass einem keines der netten Viecher aus dem Busch vors Auto springt. Glücklicherweise haben wir es geschafft, trotz der 3200 km die wir in den zwei Wochen mit dem Mietwagen dort gefahren sind, kein einziges Känguru zu erwischen. Und auch keinen Vogel, diese zeigen sich nämlich auch meist als suizidale Tiefflieger bei nahenden Autos.
Bei Thema Viecher wurde ich allerdings von den Koalas enttäuscht. So einfach sich Kängurus beobachten lassen, machten sich die kleinen Eukalyptusfresser leider rar, obwohl es die eigentlich auch in den Grampians geben soll. Aber wohl nicht arg viele und es ist dann ziemlich schwer ein kleines graues Vieh in einer Astgabel dösend zu erblicken (Koalas schlafen etwa 20 Stunden pro Tag und sind dazu noch nachtaktiv), wenn man nicht weiß, in welchem der zig 100 000 Eukalyptusbäume in den Grampians man suchen muss. Den einzigen Koala den ich gesehen habe war leider ein Roadkill.
Anderen typischen Aussi-Viechern sind wir kein einziges Mal begegnet: Schlangen. Trotz einigem Bushwalking, v.a. bei Kletterzustiegen, blieben wir von Begegnungen mit den dort durchaus sehr toxischen Kriechtieren verschont. Besser so. Die hässliche fette Spinne bei uns in der Hütte hatte mir an unangenehmen australischen Tieren schon gereicht.
Neben dem Klettern waren wir in den Grampians auch einige Male zum Wandern, wofür diese hervorragend geeignet sind. Das Gelände ist durchsetzt mit bizarren Sandsteinformationen, die Eukalyptuswälder sind herrlich anzusehen und durch die exponierte Lage der Grampians und das Flachland der Umgebung ist die Fernsicht auf den Höhenzügen fantastisch. Weil das Wetter insgesamt für die Jahreszeit recht kühl und regnerisch war (zum Glück! Dadurch war die Waldbrandgefahr sehr niedrig, im Gegensatz zur Gegend um Sydney, wo zur gleichen Zeit große Feuer wüteten), wurden die Wandertage auf die Regentage gelegt. Die lange Wanderung über das Briggs Bluff zum Mount Difficult war schon herrlich und wir waren den ganzen Tag ziemlich alleine in der Gegend unterwegs. Die im Wanderführer aufgeführte Überschreitung vom Mount Stapylton zum Hollow Mountain war dann schon eher abenteuerliches Krabbelklettern mit nicht trivialer Wegfindung. Ohne GPS hätte ich mich auf den von Schluchten durchzogenen Plateau des Stapylton verlaufen. OK, man hätte die Route vielleicht nicht in der entgegengesetzten Richtung wie im Führerwerk angegeben machen sollen, wovon in selbigem explizit abgeraten wurde. Im Süden der Grampians ist die Wanderung auf den Mount Abrupt auch noch ziemlich lohend, ebenfalls mit einer fantastischen Fernsicht bedacht.
An einem der Regentage fuhren wir dann auch mal die 200 km zur Küste ans Cape Bridgewater. Eigentlich hatten wir fürs Meer die Badesachen eingepackt, als ich dann aber las, dass es am Cape Bridgewater eine Robbenkolonie gibt kam mir in den Sinn, dass Robben eigentlich eher kaltes Wasser mögen und die nächste Landmasse gen Süden die Antarktis ist, ergo die kalten Strömungen von dort in Südaustralien an die Küste treffen. Anfang November war also hier definitiv keine Badesaison, das kalte Schietwetter tat sein Übriges hinzu: Sturm, Regen, max. 10°C. Also Goretex statt Badehose und so wurde es eine 12 km Küstenwanderung. Das war allerdings auch ein ganz nettes Alternativprogramm. Am Cape Bridgewater ist eine ansehnliche Steilküste und durch den strammen Wind krachten dort imposante Brecher ans Land.
Das flache Grasland mit Sandboden sowie die lichten Eukalyptuswälder im Wartook-Valley sind auch ideales Reitgelände und zum Glück gab es in der Nachbarschaft einen tollen Pferdehof, der Ausritte für Gäste anbot. Das freute natürlich die Holde und wir gönnten uns noch einen schönen langen Austritt. Warum auch immer fand der Besitzer, dass ich die Gruppe anführen und vorausreiten sollte, obwohl ich ihm mehrfach vorab gesagt hatte, dass ich eigentlich eher Anfänger bin, das Reiten nie gelernt habe und es nur der Liebsten wegen mache. Bislang bin ich bei Urlaubsausritten immer nur hinterhergetrottet, aber dort hieß es dann auf einmal: „Du reitest jetzt mal im Galopp einen Kilometer voraus und wartest dort auf uns.“. Erstaunlicherweise klappte das sogar ganz gut, das Tempo des Austritts war ziemlich hoch und im Gegensatz zur sehr reiterfahrenen Holden warf mich der Gaul auch kein einziges Mal ab.
Im Nachhinein betrachtet war es eine gute Wahl, sich für zwei Wochen in der australischen Provinz niederzulassen und ohne „Pflichtprogramm“ in den Tag hinein zu leben. Der Erholungsfaktor war sehr hoch und wir haben jetzt ein Australienbild im Kopf, dass doch ziemlich vom stereotypen roten Outbackklischee abweicht. Und wir waren jetzt auf allen sieben Kontinenten. Ha! Was als Nächstes kommt wird sich zeigen, es gibt immer noch mehr als genug Ziele, als dass uns alsbald langweilig werden würde. Die dürfen aber in nächster Zeit gerne etwas näher liegen. Go out and play!