Die letzten Tage des alten Camino und Klettererfahrungen die man keinem wünscht – El Chorro (Dezember 2013)

 

Der alte Camino del Rey, ein wundschön verkommener Weg mit einem gewissen Ambiente. In seiner halb verfallenen Form oft reißerisch als „Gefährlichster Weg der Erde“ angepriesen und durch viele Netzvideos entsprechend gehypt. Nüchtern betrachtet war es für Kletterer ein Zustiegsweg zu den Sektoren in und hinter der Schlucht (neben den eigentlich gesperrten Bahntunnels, was aber eigentlich keinen interessierte und der langen Hatsch oben rum). Der Weg war mit einem durchgehenden Drahtseil versichert uns so trotz der teils luftigen Einlagen in den letzten Jahren ein relativ einfacher Klettersteig in hervorragendem Ambiente. Wir haben den Camino in den paar Tagen wo wir dort waren dreimal gemacht um nach Los Cotos und El Polovorin zu kommen und ich muss schon sagen, das hat jedes Mal wirklich Spaß gemacht. Das Landschaftserlebnis und der Ruf des Weges war allerdings wohl auch der Grund dafür, dass ab März 2014 mit Millionenaufwand der Camino von offizieller Seite durch die erste Schlucht vollständig renoviert wurde. Nun ist er widereröffnet und auch für die „Normaltouristen“ zugänglich gemacht, damit diese auch durch die Schlucht können. Das Ganze ist kontingentiert, eine Anmeldung ist erforderlich und ein Obolus muss entrichtet werden. Schade eigentlich, früher war doch nicht alles schlechter… Wir hatten immerhin noch das Glück den „alten“ Camino machen zu dürfen, er lebt in der Erinnerung weiter.

 

So schön auch die Erinnerungen an den Camino del Rey und auch die Kletterei in El Chorro zum Jahresausklang war, so wurde dieser Urlaub von einem schweren Unfall überschattet, der einem leider wieder aufzeigte, dass eine ungünstige Verkettung von Fehlern selbst beim gutgesicherten Sportklettern hässliche Folgen haben kann.

 

Das Ganze spielte sich im Sektor „Fisuras“ im Valle de Abdalajis ab, wo es ganz tolle mit Rissen durchzogene Kalkplatten gibt. Das Meiste dort sind Einseillängenrouten, wobei bei einigen Routen der Umlenker höher als 30 m sitzt, worauf im Kletterführer extra hingewiesen wird, dass man beim Ablassen aufpassen soll bzw. es gibt extra Zwischenstände um Abzuseilen, falls man keinen 70m Strick dabeihat. Als wir dort waren herrschte reger Betrieb, aber es verteilte sich aber doch recht gut über die Routen. Ich kletterte irgendwann die „Artelo Martelo“, während in der Route neben mir („Fisuras Armoniosas“) ein erfahrener deutscher Kletterer Zugange war, welcher von seiner Frau gesichert wurde. Er erreichte souverän den Umlenker und baute um, um von seiner Frau abgelassen zu werden. Derweil erreichte ich auch den Umlenker meiner Route und machte mich ans Umbauen. Da die Nachbarseilschaft nur ein 60m Seil hatte, sich in seiner Route der Umlenker aber in 35 m Höhe befand, wollte er eigentlich zu einem Zwischenstand in 10 m Höhe. Da unten aber schon eine weitere Seilschaft drängelte, welche die Route klettern wollte fing er an etwas erregt mit seiner Frau zu diskutieren. Durch die Ablenkung ist es dann wohl passiert und plötzlich rutschte unten das Seilende durch den Tuber. Kopfüber krachte er auf einen Absatz, war sofort weg und schlug kopfüber (kein Helm) noch zweimal auf dem Felsen auf, bevor sein 10m Sturz vom Boden gestoppt wurde und er direkt vor den Füßen seiner Frau aufkam. Ich durfte mir den Sturz leider Live von der Nachbarroute aus ansehen und so wie er gestürzt war, das Ganze Blut am Fels und wie er völlig regungslos am Boden lag, da ging es mir spontan nur durch den Kopf: das kann der nicht überlebt haben. Sofort nach dem Absturz brach seine Frau verständlicherweise in panisches Geschrei aus, während von überall her die anderen Kletterer zu Hilfe kamen. Ich machte mich noch fertig zum Abseilen und kam dann auch zum Wandfuß. Inzwischen waren auch schon ein paar spanische Kletterer vor Ort, wobei einer von denen glücklicherweise Arzt war und auch ein überaus reichhaltiges Erste-Hilfe-Set dabeihatte und sich um den Verunfallten kümmerte. Entgegen meiner Annahme atmete er noch selbstständig, hatte aber sehr starke Kopfverletzungen und war völlig weg. Der spanische Arzt versorgte ihn notdürftige, während sich andere um die völlig aufgelöste Ehefrau kümmerten. Telefonisch wurde ein Rettungsheli aus Malaga gerufen. Leider lag die Unglücksstelle an einem steilen Hang, vor welchem sich auch noch eine Stromleitung befand. Der Heli der gerufen wurde hatte auch keine Winde, weshalb wir ihn auf ein Feld unterhalb des Hanges einwiesen und in Empfang nehmen konnten. Mit ein paar weitern Kletterern halfen wir dem Notarzt und Sanitäter die Rettungstrage sowie ein Beatmungsgerät, Defibrillator und weiteres Zubehör den Hang hochzubringen. Durch die gute Erstversorgung atmete der Verunfallte immer noch selbstständig, kam aber nicht zu sich. Nach Versorgung durch den Notarzt und Stabilisierung auf der Trage mit künstlicher Beatmung haben wir ihn dann alle zusammen den Hang runter zum Heli gebracht, was recht mühsam war. Obwohl alle die vor Ort waren ohne zu murren geholfen hatten, dauerte es aber vom Absturz bis das wir ihn im Rettungsheli war satte vier Stunden! Während der ganzen Zeit war er nicht mehr ansprechbar, wie es im Endeffekt für den Verunfallten ausging entzieht sich meiner Kenntnis, da wir die Leute auch nicht kannten. Ich hoffe inständig er hat sich von dem Unfall wieder erholt. Wie eingangs erwähnt führte wohl die unglückliche Verkettung einiger Fehler zu dem Absturz, wobei jeder Fehler für sich alleine wohl keine Folgen gehabt hätte: Zu kurzes Seil, kein Knoten im Seilende und dann ein abgelenkter Sicherer beim Ablassen. Ein Helm hätte natürlich den Absturz nicht verhindert, hier aber wohl die übelsten Kopfverletzungen zumindest gemindert.

 

Dieses Ereignis führte uns wieder eindringlich ins Gedächtnis, dass man beim Klettern immer voll bei der Sache sein sollte, es ist leider ein Sport der im Absturzgelände durchgeführt wird und manche Fehler gravierende Folgen haben, so blöd dies nun auch klingen mag.

 

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© Thomas Schaub