Hintere Gasse – 6 Tage zu Fuß durchs Berner Oberland (Juli 2023)

 

Schweiz Pur in fantastischer Landschaft, grüne Almwiesen und das vergletscherte Hochgebirge, das alles lässt sich wunderbar zu Fuß auf der sogenannten „Hinteren Gasse“ durchs Berner Oberland erleben. Für den versierten Berggänger ist es eine technisch relativ einfache aber konditionell doch etwas fordernde und zugleich großartige Weiterwanderung, von der wir uns Anfang Juli 2023 sechs Etappen gönnten und uns dabei 125 km Wegstrecke und 8400 hm Aufstieg (und genauso viel Abstieg) in die Beine drückten. Die Tour war genial und wir hatten richtig viel Freude daran, auch wenn nach sechs Tagen am Stück dann doch die Beine schwer waren, aber ohne Fleiß, kein Preis. Für Freunde der gepflegten Mehrtageswanderung eine ganz klare Empfehlung, da super abwechslungsreich und landschaftlich einfach der Hammer!

 

Zur Tour:

 

Die Hintere Gasse, auch als Bärentrek bekannt, ist eine Wanderroute über eine ganze Reihe von teils hohen (bis 2800m) aber im Sommer schneefreien Pässen, die den nichtvergletscherten Teil es Berner Oberlandes von den Hochalpinen Regionen nach Norden hin abtrennt. Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Hintere_Gasse_(Wanderweg). Mehr oder minder folgt man die ganze Tour dem mit „1“ ausgeschilderten Weiterwanderweg „Via Alpina“, der sich durch die ganze Schweiz zieht. Wir haben uns dafür entscheiden, die sechs Etappen von Meiringen bis Lenk zu gehen, was eigentlich auch der landschaftlich eindrucksvollste Teil ist. Da man permanent an der Grenze von zu den hochalpinen Regionen geht, ist das landschaftlich super abwechslungsreicht und fantastisch. Die Wege an sich sind alle gut gehbare Bergwanderwege (bei entsprechenden Wetterbedingungen und wenn kein Schnee mehr liegt). Durch die hohen Etappen wird die Tour normal im Juli, August oder September gegangen, allerdings ist in der Zeit genau diese Region auch sehr anfällig für Gewitter, das Wetter sollte man also gut im Auge behalten. 

 

 

Bei jeder Etappe steigt man im Prinzip aus einem Tal über einen Pass und wieder ab, was ein schönes Sägezahnhöhenprofil ergibt es aber auch ermöglicht, komfortabel im Tal in Hotels zu nächtigen, was wir auch gemacht haben. Wir sind ja beide schließlich schon Ü40 und wir hatten bei der letzten Weitwanderung ausgiebig Hüttenromantik (siehe: Triglav Nationalpark 2020), also gab es dieses Mal als Kontrast Wellnessunterkünfte, halt zum entsprechenden Preis (die Schweiz ist bekanntermaßen nicht unbedingt ein Niederpreisziel). Aber nach zig Stunden auf den Füßen schön gepflegt in die Sauna zu gehen ist natürlich was ganz, ganz Feines (bis auf die Unterkunft auf der Griesalp hatten unsere Unterkünfte eine Sauna/Wellnessbereich...). Wer es günstiger angehen will kann natürlich auch auf SAC Hütten nächtigen, Tips zu der Planung so siehe unten in der angegebenen Literatur.

 

Trotz enorm vieler Höhenmeter erreicht man auf der eigentlichen Tour keinen einzigen Gipfel, sondern als höchste Punkte nur Pässe. Zumindest auf der letzten Etappe konnte wir auf einer Variante wenigstens noch einen Gipfel, den alpinistisch unbedeutenden „Hüensersädel“, mitnehmen.

 

Wir habe uns die Hotels über einen Reiseanbieter (www.eutrorek.ch) buchen lassen, der entsprechende Kontingente hat, ansonsten waren wir beide auf eigene Faust unterwegs. Gepäcktransport hätte man auch in Anspruch nehmen können, worauf wir aber verzichtet, noch fühlen wir uns fit genug unseren Kram für eine Woche gefälligst selbst zu tragen, wir hatten ja auch nicht mehr als Klamotten dabei, da es sonst keine schwere Ausrüstung für die Tour braucht. Einige Etappen hätten sich prinzipiell auch durch Postbus oder Seilbahn abkürzen lassen, worauf wir aber natürlich ebenfalls komplett verzichteten, es ging schließlich ums Wandern. An- und Abreise ließen sich sehr gut mit der Bahn bewerkstelligen, was auch gegenüber dem PKW klar vorziehen ist, da der Ausgangspunkt doch ein paar Kilometer vom Startpunkt entfernt liegt und halt noch Nachhaltigkeit und so…

 

Wer sich näher in die Tour einlesen will, es gibt auch einen dezidierten Wanderführer hierzu: Outdoor Handbuch Band 175 „Schweiz: Bärentrek“ von Iris, Kürschner, Conrad Stein Verlag.

 

Hier detaillierter zu den einzelnen Etappen.

 

Etappe 1: Meiringen – Rosenlaui – Große Scheidegg – Grindelwald (24.2 km, 1494 hm)

 

 

Der Auftakt, zwar von der Wegstrecke her halbwegs lang, aber bis auf die Reichenbachfälle hoch in gemütlicher Steigung. Die Reichenbachfälle waren schon ganz zu Beginn ein Highlight (OK, am Ende der Tour hatte ich schon ein Wasserfall-Enui, da wir in den sechs Tagen an wirklich sehr vielen und sehr schönen Wasserfällen vorbeikamen) und Spielplatz der berühmten Szene von Sherlock Holmes mit Professor Moriaty. Von diesen ging es durch liebliches Gelände immer am Reichenbach vorbei zum wunderschönen Rosenalaui. Dort auf jeden Fall noch eine Stunde zusätzlich einplanen, um die beeindruckende Gletscherschlucht zu besichtigen. Absolutes „Must-See“, wenn man eh schon dort ist. Dann an den Engelhörnern und den beiden Wellhörner vorbei irgendwann im Almgelände zur Großen Scheidegg (1962 m) und von dort der doch noch lange Abstieg nach Grindelwald. Leider hatte wir hier etwas Pech mit dem Wetter und an der Großen Scheidegg war keine Aussicht, so dass wir von der eigentlich sehr beeindruckenden Scheideggwetterhornnordwand gar nichts sahen. Die ganze Etappe würde sich auch mit dem Postbus machen lassen, da dessen Strecke mehr oder minder parallel zum Wanderweg verläuft. Aber immerhin ist die Passüberfahrt für den Individual PKW- und Motorradverkehr gesperrt, so das halbwegs Ruhe war.

 

 

Etappe 2: Grindelwald – Eiger Trail – Kleine Scheidegg – Wengen (21.7 km, 1339 hm)

 

 

Die nächste Etappe wurde dann dominiert von der berühmten Kulisse des Dreigestirns Eiger-Mönch-Jungfrau, die aber an dem Tag meist leider zäh in den Wolken hingen (den Eigergipfel sahen wir nur ganz kurz mal). Immerhin kam das Wetterhorn raus, welches ich eigentlich fast die beeindruckendere Berggestalt finde. Von Grindelwald aus sind wir dann von der „Via Alpina“ abgewichen um via Eiger Trail zur Kleinen Scheidegg (2061 m) zu kommen. Die etwa 1.5 Stunden und 200 hm Mehraufwand lohnen sich auf jeden Fall, da man landschaftlich beeindruckend direkt am Wandfuß der Eiger-Nordwand wandern (die Via Alpina verläuft in dem teil wenig spektakulär im Talgrund neben der Zahnradbahn…). Auf der Kleinen Scheidegg dann Dank der Zahnradbahn und der großzügigen touristischen Infrastruktur ein ziemliches Gewimmel,  dafür wurde es auf dem bequemen Abstieg nach Wengen runter, immer mit schönem Blick auf die Nordabstürze der Jungfrau und ins Lauterbrunnertal dann schnell wieder ruhig. 

 

 

Etappe 3: Wengen – Lauterbrunnen – Mürren – Sefinerfurgge – Griesalp (27 km, 1899hm)

 

 

Für uns die Königsetappe was Strecke und Höhenmeter anging. Da wir uns von Wengen auch noch die 400 hm Abstieg nach Lauterbrunen in den Schenkel drückten, war das ein langer Tag. Von Lauerbrunen ging es dann erst einmal steil aber mit schnellem Höhengewinn auf die nächste Etage und dort war dann allerfeinstes Panormawandern bis Mürren angesagt. Das Dreigestirn kam raus und auch das tief eingeschnitten Lauterbrunental mit seinen ganzen Wasserfällen ist eine echte Augenweide. Ab Mürren dann weiter gemütlich mit prächtiger Aussicht um dann am Bryndli noch mal recht steil Höhenmeter zu machen bevor es recht flach zur Rotstockhüte ging. Auf dem Weg dorthin immer die wilden Nordostabstürze des Gspaltenhorns im Blick, mit 1700 m Wandhöhe eine der großen aber doch recht unbekannte Wand der Alpen. Nach kleiner Stärkung auf der Hütte dann der letzte 600 hm Anstieg im irgendwann vegetationslosen Gelände zur Sefinerfurgge (2612 m), zum Schluss hin im Schieferschotter und über eine recht lange Art Leiter/Treppe. Am Pass war es dann es dann eher ungemütlich, so dass wir nach kurzer Rast die noch deutlich längere Leiter/Treppe und weiteren Schieferschotter in Richtung Griestal abstiegen. Der Weg wurde zum Glück auch bald recht bequem, aber das zog sich dann doch noch erstaunlich, bis wir bei unserer Unterkunft waren.

 

 

Etappe 4: Griesalp – Hohtürli – Oeschinensee – Kandersteg (19.5 km, 1514 hm)

 

 

Diese Etappe war der höchste Übergang der Tour an dem man auch mal den Gletschern ziemlich nach kam. Von der Griesalp ging es relativ direkt zum Hohtürli (2778 m). Das Wetter war an dem Tag recht wechselhaft und wir waren schon im Aufstieg öfters im Nebel. Der Schlussansteig zum Hohtürli ging dann wieder über lange Holzleitern/Treppen. Bissle ätzend, aber immer noch besser als den Schotter darunter zu gehen. Vom Hohtürli aus war es dann aber eine super Aussicht und wir ließen es uns natürlich nicht nehmen, auch noch in der dort gelegenen schönen Bluemlisalphütte einzukehren. Im Abstieg dann immer eine wunderbare Sicht auf die vergletscherte Bluemlisalp direkt daneben. Am als einer der schönsten Schweizer Bergessen angepriesenen Oeschinensee kippte dann leider das Wetter endgültig und wir standen dort im Nebel und zudem schüttete es noch ordentlich. Das hielt dann auch an, bis wir unten in Kandersteg waren. Durch das Mistwetter war dann dem See wenigstens nichts los…

 

 

Etappe 5: Kandersteg – Bunderchrinde – Adelboden (17.7 km, 1351 hm)

 

 

Diese Etappe ging erst einmal eine ganze Weile flach durch Kandertal, dann über schönes Almgelände erst sanft dann aber recht direkt steil hoch in Richtung des Passes Bunderchrinde (2385 m). Dort leider wieder wenig Sicht um dann etwas dolomitesk durch einen riesigen Schotterkessel nach Adelboden abzusteigen. Die Umgebung wurde langsam auch flacher und nicht mehr von Eisgipfeln dominiert.

 

 

Etappe 6: Adelboden – Hüendersädel – Hahnenmoospass – Lenk 

 

 

Zum Ausklang dann die kürzeste und lieblichste Etappe. Die Umgebung wurde immer weniger wild und das Wetter war super. Um wenigstens einen Gipfel bei der Tour mitzunehmen wichen wir hier wieder von der Via Alpina ab und machten noch die schöne Kammwanderung über den Wald- und Wiesengipfel „Hüendersädel (2031m), immer mit schöner Aussicht auf die Niesenkette sowie Wildstrubel & Co. Vom Hahnenmoospass ging es dann ganz gemütlich runter nach Lenk wo diese sehr schöne Sechstageswanderung dann auch ihr Ende fand. 

 

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© Thomas Schaub