Vive l´Europe – Ausfahrt nach Westen (2018) 

 

100 Jahre später - Vive l´Europe!

 

Vive l´Europe! Das kann in den aktuellen Zeiten nicht oft genug gesagt werden. Seit gut 70 Jahren herrscht im Großteil Europas Frieden und die Länder wuchsen in dieser Zeit politisch und wirtschaftlich immer stärker zusammen. Wenn ich heutzutage spontan nach Frankreich fahre ist es eigentlich kein großer Unterschied zu einem Besuch in Sachsen: Die Sprache ist etwas anders, das Essen auch und es gibt gewisse Eigenheiten, aber ansonsten ist man sich doch relativ ähnlich, keine Grenzkontrollen, gleiche Währung.

Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges war dies leider nicht der Fall, da man sich in Europa mit Elan über die Jahrtausende gegenseitig die Köpfe eingeschlagen hat (in den letzten beiden großen Kriegen auch maßgeblich von unserem Land ausgehend). Nach dem Fanal dieses Krieges fing dann endlich ein mehr oder minder vereintes Europa an zu wachsen, was von einigen Vielen die in Friedenszeiten groß geworden sind nicht mehr wirklich geschätzt wird, wenn ich mir die heutigen Bestrebungen zu mehr Nationalstaatlichkeit zurück ansehe (siehe Brexit, manches Agieren in Osteuropa oder auch der Aufstieg vieler rechtsnationaler Parteien).

Es wird wohl zu oft vergessen, dass die EU für Europa selbst ein wichtiges Instrument zur Friedenssicherung ist, trotz aller Baufehler die es gibt und die man beheben sollte. All denjenigen die immer auf die EU schimpfen sei auch gesagt: Für solch ein Projekt gab es keine Blaupause, dass hier nicht alles perfekt läuft und auch manche Fehlentwicklung adjustiert werden sollte ist auch klar sein. Aber die Vereinigung der Länder Europas ist ein hoher Wert, der das Engagement und die Bereitschaft Aller erfordert, oder wollen wir wieder zu Zuständen wie 1914 oder 1939 zurück?

Wozu dies in Europa führte konnten wir eindrücklich bei unserer diesjährigen Pfingstausfahrt nach Westen sehen, die uns an einige Schauplätze der letzten beiden großen Kriege in Europa führte. 

 

 

Die Ausfahrt nach Westen am Pfingstwochenende 2018

 

Geplant war erst einmal nur eine Ausfahrt durch Luxemburg und Belgien and die französische Kanalküste, weil wir in der Gegend einfach noch nie waren. Man reist so viel durch die Welt, doch manch relativ nahegelegene Regionen blieben bislang einfach außen vor. Auf dieser Strecke lagen aber auch viele Regionen und Orte, die wir aus den Geschichtsbüchern als bedeutende Schauplätze in den beiden Weltkriegen kannten wie die Ardennen, Flandern, Dünkirchen, die Normandie und Verdun.

Mit einem Zwischenstopp im pittoresken Dinant für die obligaten belgischen Fritten ging es zuerst nach Dünkirchen an der Kanalküste. In Dünkirchen wurde im Jahre 1940 das britische Expeditionskorps von den deutschen Truppen eingekesselt, aber es gelang unerwarteterweise den Großteil der britischen Soldaten nach England zu evakuieren. Auch zigtausend französische Soldaten wurden dabei auf die Insel evakuiert, diese wurden aber kurz darauf wieder in den Kampf nach Frankreich und die kurz darauffolgende Kapitulation geschickt. Dünkirchen selbst ist heute eine industriell geprägte, aber doch ganz hübsche Hafenstadt mit einer schönen Strandpromenade die zum Verweilen einlädt (Moules-Frites kann ich nur empfehlen). An die Ereignisse von 1940 erinnert dort nicht mehr viel, primär das gut gemachte Museum. Im britischen Kollektivgedächtnis hat sich diese Operation stark eingeprägt und man spricht vom „Spirit of Dunkirk“. Zu beachten ist auch hierzu auch die Aussage auf einer der Schautafeln im Museum: „The Operation easily fittet into the image of an unstable and dangerous European continent against which Britain must protect itself.“. Man erinnere sich an die Stimmungsmache in einigen Teilen der britischen Medien und des Leave-Lagers vor der Brexit-Abstimmung… Persönlich finde ich es sehr schade, dass die Briten die EU verlassen werden, eine Aktion bei der es wohl keine Gewinner gibt.

 

 

The Spirit of Dunkirk

 

Weiter im Westen beginnt dann die malerische Kreideküste, die sich bis in die Normandie zieht. Am engsten Punkt des Ärmelkanals liegen auf der französieren Seite das Cap Blanc und das Cap Gris. Bei gutem Wetter sieht man von dort normalerweise die britische Insel, aber leider hing in der Richtung der Nebel und vom Nachbarland war nichts zu sehen. Wohl ein Zeichen, dass sich Großbritannien von Europa entfernt.

Sowohl Cap Blanc als auch Cap Gris wurden unter der deutschen Besatzung im zweiten Weltkrieg aufgrund der strategischen Lage massiv befestigt und mit großen Geschützstellungen bebaut. Von dort aus wurde bis zur Befreiung Frankreichs die britische Küste beschossen, sowie versucht den Schiffsverkehr im Ärmelkanal zu stören. Im Gegenzug wurden die beiden Kaps massiv bombardiert. Gerade am Cap Blanc ist auch nach 70 Jahren die Gegend noch von Bombentrichtern zernarbt und auch von den Überresten der Bunker steht noch einiges. Am Cap Gris findet sich die Batterie Todt, eine Geschützbatterie, noch mehr oder minder vollständig erhalten, da dem meterdicken Beton die Bombardements nichts anhaben konnten. Heutzutage ist diese zu einem Museum ausgebaut und dort findet sich noch eines der letzten beiden erhaltenen 28 cm Eisenbahnferngeschütze, welche mit gut 60km Reichweite die britische Insel erreichen konnten. Das kann man sich schon mal anschauen, ich hatte dann aber irgendwann von den ganzen ausgestellten Waffen und Kriegsmemorabilien doch genug.

 

An der Küste entlang und durch die malerische Normandie war das nächste Ziel dann Rouen, eine wirkliche Perle an der Seine. Trotz massiver Zerstörungen im zweiten Weltkrieg hat Rouen noch eine teils mittelalterliche wirkende Altstadt welche zusammen mit der großen gotischen Kathedrale absolut sehenswert ist. Ein schöner Kontrast zu den Kriegsschauplätzen zuvor.

 

Der Weg zurück führte dann über Verdun, Schauplatz eines der großen Gemetzel im ersten Weltkrieg zwischen Deutschland und Frankreich. Es war ein wunderschöner, heißer Frühlingstag, welcher überhaupt nicht zu den eindrücklich bedrückenden Hinterlassenschaften und Mahnmalen dieser Schlacht passte. Die Wälder um Verdun sind selbst über 100 Jahre nach der Schlacht noch von Granattrichtern zerfurcht und allenthalben finden sich alte Schützengräben. Wenn nach solch langer Zeit die Spuren noch so gut erkennbar sind kann man halbwegs erahnen, was für eine Hölle die Kampfhandlungen waren.

In den düsteren und feuchten Katakomben der Überreste von Fort Vaux und Fort Douaumont lässt sich erahnen, in welch einem Inferno die Soldaten hier ausharren und kämpfen mussten. Zum Beispiel alleine auf Fort Douaumount schlugen während der Kampfhandlungen im Schnitt 800-1200 Granaten pro Tag ein. Dabei war das Fort noch völlig überfüllt mit Soldaten, die hygienischen Bedingungen müssen katastrophal gewesen sein, und ob man hier lebend wieder rauskommt war mehr als ungewiss.

Die stille Armee der weißen Kreuze vor dem Beinhaus von Douaumont ist ebenfalls ein schauriger-mahnender Anblick. Vor allem wenn man sich im Hinterkopf behält, dass diese schon imposante Ansammlung von 16 142 Gräbern nur einen Bruchteil der mehr als 300 000 Gefallenen der Schlacht von Verdun repräsentiert. Heutzutage stellt das Beinhaus eine Deutsch-Französische Gedenkstätte dar und ist eine eindrückliche Mahnung, dass solche Gemetzel zwischen diesen beiden Ländern hoffentlich der Vergangenheit angehören. Allerdings haben die Millionen Toten und Eindrücke des Ersten Weltkrieges auch nicht den Zweiten verhindert…

 

In diesem Sinne sei auf die Gedenkplakette am Beinhaus verwiesen:

 

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© Thomas Schaub