Malta (Mai 2014)

 

Malta, das kleine Archipel im Herzen des Mittelmeeres. Uraltes Kulturland, von diversen Besatzern mit Festungsanlagen übersät und mit der höchsten Bevölkerungsdichte unter den EU-Staaten gesegnet. Zwar sind die Inseln nur maximal 250 m hoch, aber ob der vielfach vorhanden Steilküste und vielen Inlandklippen handelt es sich doch um ein sehr felsiges Gebiet, in welchem es für den Kletterer einiges zu holen gibt. Geklettert wird dort ausschließlich an Riffkalk, der zumindest in den Sportkletterrouten von sehr guter bis hervorragender Qualität ist. Meist handelt es sich um kompaktes Löchelsgemäuer, welches auch in den leichteren Routen noch wunderbar rau ist. Es finden sich aber auch Plattengebiete, auslandende Dächer, Sinterklettereien oder großhenkelige Spaßrouten direkt am Meer.

 

Als alte britische Kolonie wurden die Inseln als Kletterziel von britischen Soldaten zum Zeitvertreib oder für Übungen der Kommandotruppen in den 40er und 50er Jahren entdeckt. Dementsprechend galt Trad Climbing lange Jahrzehnte als der Klettersteil, welcher auf der Insel gepflegt wurde, fristete aber eher ein Schattendasein und zog nie die großen Massen an. Immerhin wurden gut 1500 Tradrouten über die Jahrzehnte erschlossen, welche sich alle im 2007er Malta-KleFü finden. Da zudem das früher verwendete, nicht seefeste Hakenmaterial an den Cliffs extrem schnell wegkorrodierte, war es sowieso angebracht, sich seine Sicherungen selbst zu legen. Die maltesischen Kletterer (derzeit etwa 200 laut dem Malta Climbing Club) haben allerdings vor ein paar Jahren beschlossen, das Haken clippen auch eine feine Sache ist, wahrscheinlich mehr Gäste auf die Insel bringt die ihr Geld im Lande lassen und es auf der Insel noch genügend Potential für neue Routen gibt, die ob des teils kompakten Felses mobil schwer abzusichern wären. Die Tradrouten sollen, wenn möglich, nicht nachgerüstet werden, außer mit Zustimmung des Erstbegehers (dies wird allerdings nicht ganz so konsequent gelebt wie es sich anhört) und so wurden innerhalb weniger Jahre etwa 500 Sportkletterrouten geschaffen, die sich alle im aktuellen „Sport Climbing in Malta & Gozo“ Kletterführer aus dem Jahre 2013 finden, wobei die Erschließung weiterläuft. Mit angetrieben wurde diese Entwicklung vom Urgestein und Halbmalteser Stevie Haston, welcher in den letzten Jahren bei seinen Urlauben im Lande eine ganze Palette neuer Routen in meist in höheren Graden erschloss. Mittlerweile ist man auch auf die Idee gekommen Bolts aus seefestem Stahl zu verbauen, so dass das Fixmaterial auch einige Jahrzehnte im Fels überstehen sollte (an den Cliffs meist astrein geklebte Ösen in den Sportrouten).

 

Für lauffaule Sportkletterer ist Malta übrigens ein ideales Ziel: Wenn man mit dem Mietwagen unterwegs ist sind die Zustiege oft absurd kurz und bewegen sich meist im Bereich von wenigen Sekunden bis maximal zehn Minuten. Viele der Routen sind im Einseillängenbereich und mit Komfortumlenkern ausgerüstet (oft mit schön bequemen Edelstahlumlenkkaros), aber es hat auch, besonders an den majestätischen Seacliffs, einige Mehrseillängen im 100m-Bereich. Wer Klettermeter machen will sollte sich an den teils mehrere hundert Meter langen Clifftraversen versuchen, die wohl meist als Deep-Water-Solo begangen werden. Gerade in den leichten Routen im Bereich 5a bis 5c gibt es eine große Auswahl an wirklich guten Klettereien, so dass auch die Fünfer-kletternden Schaubs ihren Spaß im Familienurlaub dort hatten. Für die Hardmoverklientel gibt es einige beeindruckende Dächer aus den zahlreichen Höhlen hinaus oder an Felsbögen, an denen ich mich aber ob mangelnden Kletterkönnens nicht versuchte. Obwohl alles Klettereien im Kalk sind ist der Charakter der verschiedenen Gebiete, auch landschaftlich bedingt, teils völlig unterschiedlich. Im beliebten Tal von Wied Babu finden sich im Inland eine Vielzahl an Einseillängenrouten mit meist ~25 m und bester Güte, während vorne am Meer in einigen Dreiseilängenrouten Panoramaklettern gegenüber der blauen Grotte geboten wird. Für Freunde dreidimensionaler Kletterei seien hier der „Owls Nest Crack“ (5a) und der „Overhanging Crack“ (5b) empfohlen sowie die Dreiseilängenroute „Rosa di Malta“ (5b) am Meer mit einem interessanten Handriss als Crux.  

 

Die Musterplatten im Ix Xaqqa hingegen sind völlig anders, wobei hier die „Klin Selvagg“ (5a) mit vier Seillängen eine absolute Perle ist. 100 m bizarr schöne Plattenkletterei an fontainebleauartigen Gurkenschälern in dieser perfekt gleichmäßig geneigten Plattenwand. Die Umgebung von wilden Cliffs und das azurblaue Meer unter einem (man quert in der ersten SL etliche Meter über das Meer hinaus) ist grandios!

 

Ein sehr pittoreskes Kletterziel ist der Felsbogen welcher bei Wied Il-Mielha auf Gozo im Meer steht mit bizarr großgriffiger Kletterei in extrem rauen und scharfen Fels (durch Kalk verbackener Muschelschalenbruch). Leider keine sonderlich langen Routen, aber alles sehr gängige, gut mit Fixmaterial bestückte Spaßklettereien. Von der Art der Kletterei und der Absicherung her wäre das der ideale Fels für Von-der-Halle-an-den-Fels-Kletterer, wobei es dort in einem Dreier („Gozo Gozo Gone“) solch große Griffe hat, das würde sich kein Routenschrauber trauen in einer Halle zu verbauen. Hier sollte man sich nicht die „Thirty Minutes to Sunset“ (5c+) entgehen lassen. Der Hängestand direkt über dem Meer unter dem großen Dach des Bogens ist der Hammer, die Kletterei aber auch. Allerdings sollte es nicht zu viel Seegang haben…

 

Das Inlandsklettergebiet Victoria Lines bietet Frankjura-ähnliche Löchelskletterei im weißen Gemäuer mit ein paar kleinen Unterschieden: Rauer Fels auch in den leichten Routen, besseres Wetter sowie kein Wald und dadurch freie Sicht über die Insel und aufs Meer.

 

Da sich das Sportklettern auf Malta durchgesetzt hat sind die alten Tradgebiete im Inland, die noch nicht nachgerüstet sind, leider etwas verwahrlost. Der cleane „Pigeon Corner“ (VS, 4c) in Meliah war zwar eine super Kletterei, allerdings war die fast undurchdringliche Macchia bis zum Wandfuß aufgrund akuten Mangels an Begehungen dort sehr lästig. Das haben wir uns nur einmal gegeben und da es bei den anderen Tradsektoren auch nicht viel besser aussah haben wir uns dann aufs Haken clippen beschränkt (man hat ja schließlich Urlaub…). Immerhin, alle Routen die wir dort gemacht haben waren ausnahmslos gut bis sehr gut, obwohl ich eigentlich nicht so der Kalkkletter bin. Für einen reinen Kletterurlaub sollte man übrigens nicht nach Malta fahren, da die Dichte an anderen Sehenswürdigkeiten und Altertümern ersten Ranges aufgrund der bewegten Inselgeschichte enorm hoch ist. Aufgrund der sehr kurzen Wege lässt sich ein Klettertag auch sehr gut mit einem entsprechenden Kulturtag verbinden (12 Stunden Löcher zerren würden meine Griffel eh nicht bringen). Von der einen Woche die wir im Mai 2014 auf der Insel verbrachten waren wir an fünf Tagen klettern, konnten aber trotzdem 12 Museen und 2 UNESCO Welterbe ausgiebig besichtigen. Wer Festungsbauten aller Art mag findet dort ein wahres Eldorado. Nach dem Klettern abends ins Meer zu springen kann ich auch jedem empfehlen: Die Wasserqualität ist exzellent und eine Runde schnorcheln zu gehen ist eine feine Sache. Hinzu kommen die gute maltesische Küche sowie eine überaus freundliche, hilfsbereite und tiefenentspannte Inselbevölkerung.

 

Wer also einen rundum genüsslichen Kletterurlaub machen will, dem kann ich Malta derzeit empfehlen, noch ist die Insel nicht von Kletteren überlaufen. Dies wird sich bei der derzeitigen Erschließung auf der Insel mit neuen Routen aber sicher noch ändern.

 

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© Thomas Schaub