All Inclusive - Bergsteigen in Ostanatolien und Sportklettern in Lykien (August 2021)

 

 

 

Die Besteigung des Ararat (5165m) in Ostanatolien sowie eine Woche Sportklettern bei brütender Hitze in Lykien waren in den ersten beiden Augustwochen 2021 genau das richtige, um unser Fernweh nach mittlerweile 1.5 Corona-Jahren zu Stillen. Nach etwas hin und her in der Vorbereitung hatten wir beide rechtzeitig unsere Covid-19 Impfungen im Arm, also ab in eine Ecke, in der wir vorher noch nie waren.

 

Da der Ararat nur mit Genehmigung der türkischen Behörden und in Begleitung eines anerkannten Führers bestiegen werden darf, machten wir den ersten Teil der Reise als geführte Tour, die Woche Klettern am Meer dann auf eigene Faust.

 

Der Ararat selbst ist ein ziemlich dominanter Gipfel, der sich mehr als 3000 m über das ostanatolische Hochland erhebt, weit und breit steht kein nur annähernd so hoher Gipfel, weshalb er eine Aussichtswarte allerersten Ranges ist. Zudem ist er auch noch der höchste Gipfel auf türkischer Gemarkung und dementsprechend begehrt. Aber wie das so ist mit den hohen Vulkanen, bedeutet das auch mehr oder minder 3000 hm Schutt/Blockwerk mit wenig Steilheit, die es zum Gipfel hinter sich zu bringen gibt. Immerhin wird der Ararat (noch) von einer Eishaube gekrönt und die letzten 200hm auf der Normalroute haben so einen hochalpinen Touch. Die Besteigung an sich ist technisch sehr unschwierig (reines Latschgelände), einzig die Länge der Tour und die Höhe sorgen für einen gewissen, aber gut machbaren Anspruch.

 

Ausgangspunkt war die Großstadt Van, am gleichnamigen See gelegen, eine Ecke der Türkei, die die meisten aus unserem Land wohl eher wenig auf dem Schirm haben und wenn, dann nur aus den Nachrichten (Grenzgebiet zum Iran und Armenien, Kurdengebiet mit entsprechenden Konflikten). Wir fanden es dort aber ziemlich entspannt und trotz Sicherheitswarnung des Auswärtigen Amtes, fühlten wir uns nicht unwohl. Aber wir lebten beide auch schon ein Jahr in Israel, sind dahingehend auch eher etwas abgehärtet, was Gegenden mit formell angespannter Sicherheitslage angeht. Vor Ort ist dann meist alles deutlich lockerer, als man den Eindruck von der Ferne aus hat.

 

Dort trafen wir uns dann auch mit dem Rest unserer illustren internationalen Araratgruppe: Unserem lässigen türkischen Guide und Organisator Yüksel, der bis in junge Erwachsenenalter in Deutschland lebte, vier Tschechen, zwei auf unterhaltsam-sympathische Weise skurrile Bulgarinnen, einem Türken, einem Deutschen sowie die tschechische Freundin von Yüksel, wobei uns bis zum Ende nicht so richtig klar war, ob sie nun als Gast oder Guide mit dabei war. Es war zwar eine wild zusammengewürfelte Gruppe, es herrschte öfters ein babylonisches Sprachwirrwarr, nichtsdestotrotz war es sehr angenehm und wir fühlten uns gut unterhalten.

 

Zum Auftakt bestiegen wir als Akklimatisierungstour den Artos Dagi (3537m), der sich gut 1800m direkt am Van-See erhebt. Über Schotterstraßen brachte uns der Minibus bis auf 2400m, um von dort aus in siebenstündiger einfacher Wanderung diesen herrlichen Aussichtgipfel zu erreichen, auf dem es sogar ein ordentliches Gipfelbuch gab.

 

 

Anderntags war eine Bootsfahrt auf dem See mit Besuch der Insel Akdamar als Kulturprogramm angesetzt, um die dortige mittelalterliche armenische Kirche zu besichtigen. Das gehört wohl zu den Must-See, wenn man schon in Van ist. Danach setzten wir per Minibus drei Stunden nach Dogubayazit um, eine staubige 80 000 Einwohnerstadt an der Grenze zum Iran, die der eigentliche Ausgangspunkt für die Araratbesteigung war.

 

Ob der Länge des Aufstieges wird dieser gewöhnlich in drei Etappen durchgeführt, so wie wir es auch gemacht haben: Am Tag 1 Anfahrt zum Minidorf Cevirme (2017m) und Aufstieg zum Basislager auf 3317m, am Tag 2 Aufstieg zum Hochlager auf 4100m und am Tag 3 dann die Gipfeletappe auf 5165m. Sozusagen ein kleiner Expeditionsstil. Im Abstieg geht man vom Gipfel dann bis ins Basislager und nach weiterer Nacht dort geht es zurück gen Tal. Man ist dabei aber die ganze Zeit nur mit leichtem Gepäck unterwegs, da robuste anatolische Ponys als Packpferde eingesetzt werden, die das ganze Material und Verpflegung bis ins Hochlager buckeln. Vor allem in dem Schutt zum Hochlager war es schon krass, was diese kleinen Pferde dort hochbuckeln können.

 

 

Zum Basislager war es eine leichte, schöne Wanderung durch weite Vulkanhänge mit spärlicher Vegetation. Beim Basislager selbst handelte es sich dann um eine niedliche, sonnig gelegene kleine Zeltstadt, wobei sich die einzelnen  Gruppen gut verteilt hatten. Dort konnte man es schon aushalten. 

 

 

Zum Hochlager war es dann weiterhin unschwieriges Gelände, allerdings wurde es schuttiger und irgendwann hörte auch die Vegetation auf. Das Hochlager war schon ein etwas trostloserer Ort als das Basislager (ich nannte es "das Wolkenlager") da zum einen dort deutlich weniger Platz war und sich im Sommer ab spätem Vormittag fast täglich ab etwa 4000m Wolken um den Ararat bilden und man im Hochlager dann in selbigen steckt, während das Basislager weiter in der Sonne liegt. Im Hochlager ballten sich dann auch alle Gruppen auf einem Haufen, dass es immer noch eine Pandemielage war, konnte man dort nicht mehr erkennen. In der Höhe trägt auch niemand mehr eine Maske, zum Glück waren wir schon durchgeimpft.

 

 

Durch die tägliche Wolkenbildung war auch der frühe Start mitten in der Nacht angesetzt, damit man zeitig oben ist und auf dem Gipfel nicht im Nebel steht. Ursprünglich war 1 Uhr als Weckzeit und 2 Uhr als Abmarschzeit angesetzt. Allerdings hatte unser Guide herausbekommen, dass eine 50(!)-köpfige Gruppe bosnischer Bergsteiger auch um 2 Uhr abmarschieren wollte. Die wollten wir nicht vor uns haben, vor allem da bis auf 4600m das überholen schwierig ist. Also wurde unsere Weckzeit spontan auf 0:30 und Abmarsch auf 1:30 vorgezogen. Tja, nach sehr kurzer Nacht sahen wir dann beim Kaffee, dass die bosnische Gruppe wohl auch spontan ihre Pläne geändert hatte, und schon um 1 Uhr losging, wie wir an deren Stirnlampenlindwurm sehen konnten. Wir haben uns dann warm eingepackt und hinter denen eingereiht. In sehr gemächlichem Tempo ging es im Dunkeln bis auf 4600m, wo wir die dann endlich mal überholen konnten. Daneben waren noch einige andere, kleinere Gruppen unterwegs (zum Glück hinter uns bzw. einige Kleingruppen konnten wir bei deren Pausen überholen). An dem Tag waren in Summe gut 150 Bergsteiger auf der Gipfeletappe unterwegs, was schon Hochbetrieb für den Berg war. Ok, anscheinend fiel auch 2020 die Aratasaison pandemiebedingt komplett aus. Da das Fitnesslevel in unserer Gruppe etwas heterogen war, ließ unser Guide uns dann auf 4800m alleine gen Gipfel ziehen, da wir noch recht fit waren und die Wegfindung problemlos war. Als Treffpunkt wurde dann wieder das Hochlager vereinbart. Auf 4900m ging es dann für uns mit den Steigeisen beim ersten Sonnenschein über den Firn zum Gipfel, auf dem wir, in guter Laune dann um 06:45 als erste von unserer Gruppe und vor der Großgruppe standen.

 

In guter Verfassung genossen wir den herrlichen Gipfel bei bestem Wetter mit erhabener Aussicht in fantastische Weite. Nach und nach tröpfelte der Rest unserer Gruppe ein und als der letzte oben war, machten Susanne und ich uns wieder auf den gemütlichen Weg nach unten und wir waren dann um 09:30 wieder auf einen Kaffee im Hochlager. Nach einem zweiten Frühstück schlugen wir unsere Zelte im Hochlager ab und marschierten noch zum Basislager. Die Nichtabsitenzler der Gruppe, also alle außer ich, leerten zur Feier des Tages noch eine Flasche eingeschmuggelten armenischen Ararat-Brandy und nach erholsamer Nacht kam noch die Wanderung zurück ins Dorf.

 

 

Da wir schon mal in der Türkei waren, folgte dann noch eine Woche Kontrastprogramm am Meer. Im Vorfeld ließen wir die Unterkunft ebenfalls von unserem Guide organisieren mit den Rahmenbedingungen a) Klettern b) Meer c) keine Hotelbunker.

 

Seine Wahl fiel auf Cirali, etwa 80km südlich von Antalya in Lykien gelegen und sagte uns sehr zu. Glücklicherweise war diese Ecke nicht von den verheerenden Waldbränden betroffen, die in den ersten zwei Augustwochen an der türkischen Küste wüteten. Cirali selbst ist ein lässig-charmantes und etwas anarchisches Küstennest, mit lauter kleinen inhabergeführten Herbergen und Restaurants, dazwischen sehr viel Grün als Schattenspender. Der völlige Gegenentwurf zu den All-Inclusive-Bunkern an der Küste bei Antalya und dementsprechend auch ohne das billig-saufen-und-fressen-Publikum. Zum Meer waren es nur ein paar Meter und fußläufig konnten wir die Klettergebiete in Cirali und Olympos erreichen. Ok, hier muss angemerkt werden, dass der Hochsommer eigentlich überhaupt nicht als Klettersaison in der Ecke gilt. Bei den üblichen drückenden 35-39°C im Schatten zieht der Sommer normal keine Kletterer an. Da wir aber schon oft in heißeren Gegenden zum Klettern unterwegs waren, störte uns das erstmal nicht wirklich, wenn man das richtig angeht. Also war die Devise morgens an den Fels in schattige Sektoren, bis es ab etwa 14 Uhr zu warm wurde, dann Siesta im Hotel während der größten Mittagshitze, Abends ins Meer und anschließend zünftige lokale Kost in einem der vielen kleinen aber feinen Restaurants in Cirali. Ein Tagesablauf, an den man sich durchaus gewöhnen kann und bei uns zu einer gewissen Tiefenentspanntheit führte.

 

In Cirali selbst waren wir an zwei Tagen zum Klettern. Dort sind die Klettereien westseitig ausgerichtet, was Schatten bis etwa 14 Uhr bedeutete. Der bis zu 60m hohe Felsriegel besteht in der unteren Hälfte aus sehr schönem, plattigen Kalk mit vielen moderaten Routen im 5-6 Grad, gefolgt von einer versinterten, überhängenden Wandpartie für die Hardmover. Wir haben uns dann natürlich an den gemütlichen, unteren Wandteil gehalten und tolle Routen geklettert, unter anderem einen feinen 6er-Piazriss aber auch eine originelle, leicht liegende Sinterkletterei im 6ten Grad.

 

 

An zwei weiteren Tagen trieben wir uns dann im schattigen Sektor Darshane in Olympos rum. Um in diesen zu kommen ging es am Strand entlang und durch die schönen Ruinen des antiken Olympos. In Darshane war der Kalk völlig anders als in Cirali. Allerbester, wasserzerfressener Henkelkalk und das Ganze in einer lieblichen, engen Schlucht, so dass irgendeine Wand immer im Schatten lag. Auch dort gab es ein reichhaltiges Angebot an bis zu 30m langen Sportkletterrouten im 5-6 Grad, wo wir uns austoben konnten. In den vier Klettertagen hatten wir eigentlich nur gute bis sehr gute Routen gemacht, da war kein Müll dabei. Und an allen Tagen waren wir die einzigen Leute am Fels, der große Vorteil, wenn man völlig außer der Klettersaison dort ist, dafür nahmen wir die paar Liter vergossenen Schweißes gerne in Kauf.

 

 

Als Kulturprogramm buchten wir dann noch beim lokalen Eventanbieter einen Tagesausflug nach Kekova (im Meer versunkene Stadt) und Myra, die Wirkstätte von St. Nikolaus. Tja, der Tagestrip inkl. halbtägiger Bootsfahrt und Mittagessen kostete nur 35€ pro Nase, das hätte uns schon stutzig machen sollen. Morgens fuhr uns beide ein Fahrer hoch zur Hauptstraße und da hieß es, wir werden uns einer größeren Reisegruppe anschließen. Die kam dann auch ein paar Minuten später mit einem großen Reisebus und in dem saßen 40 russische Touristen aus einem All-Inclusive-Hotel in Antalya, wie unschwer an deren Hotel-Armbändeln zu erkennen war. Wir hatten uns also auf eine russische Kaffee-Wallfahrt eingebucht (St. Nikolaus ist der Schutzpatron der Russen). Naja, zum Glück waren wir schon tiefenentspannt und von dem durchgehenden, monotonen russischen Geplapper der Reiseleitung verstanden wir eh nichts. Immerhin war ein netter Aufpasser der türkischen Behörden mit dabei (muss mittlerweile wohl so sein, damit kein richtiger Schindluder mit den Touristen auf solchen Kaffeefahrten getrieben wird), der gut Englisch konnte und sich unserer angenommen hatte. Unsere russischen Mitausflügler waren zum Glück eher diejenigen, die auch an Kultur und Religion interessiert waren und deren Urlaubsglück nicht nur an der Bar lag. Also alles ganz nette Leute, blöderweise gab es halt eine gewisse Sprachbarriere. Nach 1.5-stündiger Busfahrt, mit Zwischenstopp an einem Kosmetikkaufhaus (auf dessen Besuch ich aufgrund Cola und Kippe verzichtete) ging es dann auf das nette Boot für die 2.5-stündige Rundfahrt nach Kekova, immerhin hielten wir 20 Minuten für einen wohltuenden Badestopp wo man direkt vom Boot ins halbwegs kühle Nass springen konnte. Leider liegt die versunkene antike Stadt mittlerweile in etwa 80m Tiefe, d.h. man sieht von der Wasseroberfläche von selbiger so gut wie überhaupt nichts außer ein paar kümmerlichen Reste der Hafenanlagen… im Sommer auf dem Mittelmeer rumtuckern, während man auf dem Deck rumgammelt ist allerdings auch entspannt, selbst wenn es nicht so viel zu sehen gibt. Weiter ging es nach Myra, aber vor der St. Nikolauskirche wurde die Gruppe dann erst mal noch zum Shopping in einen sehr großen Ikonen-Laden geführt (Kaffeefahrt halt). Dessen Besuch haben wir beide dann mit der Begründung "Ich bin römisch-katholisch, Susanne ist Atheistin, was wollen wir in einem Ikonen-Geschäft?" verweigert, was aber akzeptiert wurde. Die Kirche von St. Nikolaus wollte ich mir dann aber nicht entgehen lassen, ich wurde schließlich in der St. Nikolaus Kirche in Altdorf getauft, und wenn man dann schon mal die Möglichkeit das Original zu besichtigen, wird das genutzt. Nach der Kirche gab es das Mittagessen im Buffet-Großrestaurant mit starkem Kantinencharme, bevor wir noch eine halbe Stunde bekamen, die Ruinen von Myra zu besichtigen. Die Felsgräber und das toll erhaltene römische Amphitheater sind schon sehenswert und da wäre ich auch gerne länger geblieben, aber leider mussten wir weiter zum nächsten Shopping. Diese Mal wurde wir noch zu einem sehr großen Steinschmuck-und-Tand-Laden gebracht, der sich offensichtlich auf Busgroßgruppen als Kunden spezialisiert hatte. Gleiches Spiel wie vorher: wir beiden Kartoffeln verweigerten uns dem Shopping "wir brauche keine Steine" und ich saß auch diesen Teil vor dem Laden, dem Nikotinkonsum frönend, einfach aus. Danach ging es auch wieder zurück. Das Ganze war für uns trotzdem eine durchaus unterhaltsame Erfahrung, da wir sowas normal nie machen und wir da eher reingestolpert sind. Myra und die St. Nikolauskirche waren auch wirkliche einen Besuch wert. Die Jungs von der lokalen Eventagentur hätten uns aber auch ruhig vor der Buchung sagen können, dass das eine russische Ausflugsgruppe russischsprachigem Guide sein wird. Oder die haben uns halt für Russen gehalten, mei, passiert. 

 

 

Der Urlaub in der Türkei war alles in allem super und sehr abwechslungsreich: Bergsteigen, Sportklettern, Baden, Kultur, gutes Essen, sehr feine Leute und völlig unstressig. Erholung All-Inclusive wie wir es mögen und genau das richtige nach dem tristen, langen Corona-Winter.

 

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© Thomas Schaub