Alpiner Genuß (2013)

 

Ich gehöre ja zu den klassischen Wochenendbergsteigern: Neben einem Fulltime-Job, der nicht unerheblichen Vereinsarbeit und als Ehemann der auch möglichst viel Zeit mit seiner Liebsten verbringen will, locken auch immer die nicht gar so fernen Alpen. Da eine Reihe durchaus lohnender Ziele sowohl für Skitouren als auch für diverse Klettereien in nicht allzu weiter Fahrreichweite liegen, konnten im letzten Jahr unter Begleitung diverser anderer PKler verschiedenste Bergfahrten unternommen werden. Wie es sich für einen Nichtschwerkletterer und eher aufstiegsorientierten Tourengeher gehört, war keine einzige große Nummer mit Heldenfaktor dabei, dafür waren ausnahmslos alle Unternehmungen ausgesprochen schöne Touren in angenehmster Gesellschaft.

 

Der Auftakt im grandiosen, schneeverwöhnten letzten Winter bildeten dabei zusammen mit Sebaatian die Skitouren im Allgäu am 12. und 13.01 auf den Großen Ochsenkopf, das Rangiswanger Horn und die Kuhgehrenspitze. Feinster Pulverschnee und dadurch geniale Abfahrten wurden hier geboten. Die Idee direkt von Wolfis 50er-Feier um halb drei morgens ohne Schlaf ins Allgäu zu starten sorgte am ersten Tag allerdings doch für etwas Müdigkeitserscheinungen, so dass wir uns Abends um fünf schon ins Autobiwak hauten, um den fehlenden Schlaf nachzuholen.

 

Ebenfalls wieder Sebastian sowie dem belgischen PKler Hendrik und Max ging es am dritten Februarwochenende dann ins Berner Oberland, um bei ebenfalls perfekten Schneebedingungen das Rauflihorn und die Galmschiebe mit Ski zu besteigen. Die 39° steile, 220 m hohe NNW-Flanke am Rauflihorn war bei hüfttiefem Pulverschnee ein Traum! Danke hier an Max, der uns den Hang souverän eingefahren hatte.

 

In der ersten Märzwoche fehlte im Skiurlaub dann leider die PK-Unterstützung, aber bei der niedrigen Lawinenwarnstufe zu dieser Zeit konnte ich dann trotzdem noch die einfachen ostschweizer Skitourenklassiker Mutschen, Rosswis, Hünerchopf und Chapf alleine machen. Da in diesem phantastischen Skiwinter die Schneedecke bis ins Rheintal reichte, war die lange, makellose Abfahrt vom Chapf bis ganz ins Tal möglich: Von 2043 m bis auf 476 m hinunter! Wohlverdient, die 1567 Hm galt es auch schließlich zuvor komplett im Aufstieg zu absolvieren.

 

Da der Winter noch lange keine Anstalten machte sich zurückzuziehen und die Kletterbedingungen in der Pfalz ungewöhnlich miserabel waren, ging es wieder mit PK-Unterstützung durch Sebastian und Hendrik kurzerhand am 23.03 in den Bregenzer Wald, wo auch wieder bei feinsten Bedingungen Skitouren zum Analper Joch und dem Hirschberg unternommen wurden. Da das Auto für eine Übernachtung zu dritt dann doch nicht geräumig genug war, wurde nach längerer nächtlicher Suche ein bei Dunkelheit annehmbarer Biwakplatz gefunden. Eine schön betonierte Fläche am Ortsrand von Bizau, außer Sicht der Häuser. Tja, am anderen Morgen bei Tageslicht betrachtet war es dann leider doch nur die Müllkippe der Gemeinde, in deren Mitte die drei Akademiker genächtigt hatten.

 

Die Woche darauf an Ostern dann endlich mit der Gattin in den Alpen unterwegs. Da nur einer von uns Ski fährt und es bis in tiefe Lagen immer noch reichlich Schnee hatte, wurden die Ski gegen Schneeschuhe getauscht, damit wir auch etwas als Familie zusammen unternehmen konnten. Die Tannheimer waren das Ziel und sowohl die Krinnespitze als auch der Kühgundkopf wurden besteigen. Aufgrund des Schaub-typischen frühen Startes standen wir als Erste an dem Tag auf dem Kühgundkopf. Da wir mit Schneeschuhen unterwegs waren blickte ich als alter Skifahrer neidisch auf diesen genialen Skihang vom Gipfel weg, welcher aufgrund des vielen Neuschnees vom Tag zuvor noch unverspurt war. Kurzentschlossen lautete deshalb die Devise: Arschabfahr und Susanne und ich zogen in vollendeter Uneleganz zwei derbe Gräben in den bis dato jungfräulichen Hang unter ungläubig-verächtlichen Blicken der noch aufsteigenden Skitourengeher, deren Hoffnung auf einen makellosen Hang wir damit zerstörten. Wie heißt es so schön: First come, first serve!

 

Aber irgendwann reichte es auch langsam mit dem Schnee und es ging mit dem Tourenwart als gewohnten Kletterpartner am 18. Mai in den Wilden Kaiser. Als Kletterauftakt wurde hierbei eine Ecke gewählt, in der der Kaiser nicht sonderlich wild ist und die alpin angehauchte, moderne Sportkletterroute Blue Moon (6+, 13 SL) an der Kopfkraxe stand auf dem Programm. Diese erfreut sich anscheinend besonderer Beliebtheit (die Anpreisung in diversen Auswahlführern trägt sicher dazu bei) und so hatten wir an diesem herrlichen Samstag fünf Seilschaften hinter uns. Durch den in dieser Konstellation typischen, frühen Start (vier Uhr in der Früh), hatten wir aber glücklicherweise wenigstens niemanden vor uns. Drei Stunden Abstieg, eine der nachfolgenden Seilschaften mußte mit dem Heli aus der Wand geholt werden, Autobiwak, zweifelhaftes Wetter und wieder heim in die Pfalz.

 

Mit Stefan wurde dann am 20.07 der dritte Anlauf in drei Jahren für den Salbit-Westgrat gestartet. Im Gegensatz zu den beiden Jahren zuvor, wo uns jedes Mal am angepeilten Wochenenden das Wetter einen Strich durch die Rechnung machte und wir ins Eldorado auswichen, gab es dieses Mal wenigstens keinen Schneefall. Tja, die Bedingungen hätten gepasst, aber leider machte dafür meine Gesundheit aufgrund einer Sommergrippe nicht mit. Freitags Nachts noch irgendwie mit Fieber auf die Salbithütte geschleppt, war an den anstrengenden Westgrat tags darauf nicht zu denken. Als Ausweichsziel mußte dann der Südgrat herhalten, den brachte ich wenigstens noch in angeschlagener Verfassung. In der Kombi mit der Takala bekannt als Super-Südgrat (6, 20 SL) trotzdem eine hervorragende, lange Genußtour und zu recht eines der beliebtesten Ziele im Urner Granit, welches wir beide noch nicht abgehakt hatten. Glücklicherweise war sie es nicht an diesem Wochenende und es war nur noch eine weitere Seilschaft am Grat unterwegs. Die Crux mußte Stefan führen, ansonsten hatte es, trotz angeschlagenere Verfassung meinerseits, doch mit der Wechselführung geklappt. Im Abstieg war der Ofen dann aber bei mir aus und einen guten Teil des Abstiegscouloirs ging es als ungewollte Arschabfahrt hinunter. An dieser Stelle gilt mein Dank Stefan für sein Verständnis, das es aufgrund meines Zustandes in dem Jahr leider wieder nichts wurde mit dem Westgrat.

 

Aber die Grippe war glücklicherweise schnell auskuriert und so ging es am 03.08 wieder in den Urner Granit. Diesmal zusammen mit Thomas, dessen erste Kletterausfahrt ins vergletscherte Hochgebirge dies darstellen sollte. Für die richtige Initiation wurde eine Kletteroute in phantastischem Hochgebirgsambiente gewählt, bei welcher das Verhältnis von Zustiegs- zu Klettermeter typisch alpin ist (3.5 h Zustieg vs. 240 Klettermeter): Die Enfer Doux (6, 6 SL) am Gletschhorn. Die Route selbst ist ein alpin angehauchtes, grandioses Frühwerk der Gebrüder Remy. Nicht sonderlich lang, aber jede Seillänge wäre es ob des genialen Granites und der Kletterei wert, gleich zweimal begangen zu werden. Im Gegensatz zu anderen Ecken am Furka ist die Route aufgrund des langen Hatsches auch nicht wirklich überloffen. Der erstmalige Kontakt von Thomas mit einem Gletscher wird ihm wohl auch in Erinnerung bleiben, da er schon nach etwa 10 Meter mit dem Bein in eine Spalte einbrach. Auf seine Frage hin, wie ich denn Gletscherspalten erkenne konnte ich ihm leider nur ein Schulterzucken bieten. Nach gediegener Biwaknacht neben dem Bach wurde tags darauf ein etwas näheres Ziel gewählt und es ging an die Krampfader (7-, 5 SL). Entgegen anderer Routen in dieser beliebten Wand mit Klettergartencharakter ist diese Route ebenfalls von übermäßigem Andrang verschont, da man bei der Absicherung größtenteils selbst Hand anlegen muß. Dabei zeigte Thomas sein Können als nervenstarker Kletterer und die erste Länge, die auch die Crux darstellt, wurde von ihm kurzerhand im sauberen On-Sight weggezogen. Mir war hier die Freude des Seiles von oben vergönnt und ich durfte mich in der Rampfrissverschneidung danach vergnügen (so habe ich es zumindest geklettert). Wir hatten unserer Ruhe in der Route während in der beliebten und reichlich mit Fixmaterial bestückten Perrenoud daneben die Seilschaften Schlange standen. Wieder einmal alles richtiggemacht.

 

Der Herbst kam und der Winter ließ auf sich warten. Da mich leider mein Partner (kein PKler) für eine Hochtour im Wallis versetzte, sprang glücklicherweise Thomas Ende Oktober ein, und wir konnte zwei herrliche Tage im Allgäu verbringen, und die Panoramix am Biberkopf sowie die Alte Südwand an der Roten Flüh klettern.

 

Da der folgende Winter in den Nordalpen durchaus als schneearm zu bezeichnen war, kamen Thomas und ich auf die Idee, am zweiten Advent einfach nochmal was klettern zu gehen. Da gutes Wetter für das Wochenende gemeldet war ging es an den Brüggler, dessen plattige Südseite auch an sonnigen Wintertagen gute Bedingungen bieten sollten. Da die Tage sehr kurz waren, stellte diese eher niedrige Wand ein gutes Ziel dar und sogar zwei Kollegen aus Thüringen fanden noch den Weg zum Brüggler. Leider fiel in der Nacht doch noch einiges an Schnee und wir durften zu viert am anderen Morgen erst mal einen Pfad gen Fels stapfen. Leider zeigten sich die Platten dann erst mal nicht von der besten Seite, da viel Schnee in der Wand lag, der munter in der Sonne taute und so eine Mischung aus Pappschnee und nassen Platten erzeugte. In Bergstiefeln einige Seillängen im Föhrenweg (5-, 6 SL) rumdilletiert, munter an im Schnee vergrabenen Bolts vorbeigeklettert und irgendwo im routenfreien Latschennirvana rumgeeiert. Der Kommentar von Thomas dazu: „Die Pfoten waren nicht das Problem, eher war die Reibung so, als hätte man einen Klotz Butter an den Hufen. Wir kamen im Laufe des Tages übereinstimmend zu der Überzeugung, dass die Routenwahl nicht unsere Beste war. Genaugenommen war das ziemlicher Mist, aber der nächste Tag entschädigte ausreichend mit allerfeinster Plaisirkletterei!“ Die Sonne leistete prächtige Arbeit, tags darauf war die Wand komplett trocken und am zweiten Advent hatten wir, trotz -11°C beim frühen Start vom Auto weg, in der Grünen Plattenwand (5-, 6 SL) einen genialen Plaisirklettertag in der Sonne, wobei wir im T-Shirt klettern konnten. Als alpiner Abschluss des Jahres eine gelungene Tour im voralpinen Großklettergarten. Das einzige Manko: Wir waren zwei Wochen zu früh dran, und so war es leider nur eine Herbst- und keine Winterbegehung.

 

Was lässt sich zusammenfassend aus meiner Sicht über das Jahr 2013 in den Alpen sagen: Ich bin Freizeitbergsteiger mit Hang zu Genusstouren und auf die Kollegen von der PK ist Verlass! An alle die dabei waren: Schön war es und ich freue mich schon auf die nächsten gemeinsamen Touren!

 

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© Thomas Schaub