Die Kraft des Wassers – Paddeln auf der Nahe (November 2023)

 

Tja, man sollte auch harmlos wirkende Wanderpaddelgewässer wie die Nahe nicht unterschätzen, wenn die nach einigen regenreichen Wochen ordentlich Wasser führen, wie ich am 01.11.23 am eigenen Leib erfahren durfte.

 

Nachdem Susanne und ich in den letzten Jahren einige schöne Flüsse mit unseren Kajaks runter sind wie ein paarmal den Neckar im Odenwald, die Elbe im Elbsandsteingebirge, die Iller im Allgäu, aber auch in dem Jahr kleinere Bäche wie den Schwarzbach und den Speyerbach in der Pfalz. Auf den Abschnitten bei normalem Wasserstand waren das alles eher harmlose Gewässer und wirklich Wildwasser sind wir nie gefahren.

 

Die Nahe bei Bad Münster am Stein hatte ich aber auch schon länge auf dem Plan, da diese wunderschön unter dem mächtigen Rotenfels vorbeifließt und deshalb schönes Panoramapaddeln versprach. Mit dabei war noch Thomas, ein alter Kumpel, der aber im Gegensatz zu uns ein wirklich erfahrener Wildwasserpaddler ist. Für die Nahe konnte er sich auch begeistern, auch wenn er sich hiervon nicht viel Action versprach, da die Nahe doch eher einen behäbigen Ruf hat. Plan war von Staudernheim bis Bad Münster am Stein. Gut 20 km Strecke, aber ein Bahnhof an Start- und Endpunkt, so dass wir nur ein Auto brauchten.

 

Die Tage vor unserer Tour hatte es ordentlich geregnet und die Nahe dadurch viel Wasser mit entsprechender Strömung. Auf Anraten von Thomas legten wir deshalb, zusätzlich zu Neoprenanzügen, auch mal die Schwimmwesten an, auf die wir auf den letzten harmlosen Flüssen immer verzichtet haben. Bislang sind wir auch nie gekentert sind, was einen doch irgendwie in falscher Sicherheit wiegt.

 

Los ging es in Staudernheim und ich muss sagen, das Wasser hatte doch schon ordentlich Tempo verglichen mit dem, was wir bis dahin so gefahren sind. Das ging schon gut ab aber unsere Aufblaskajaks schwimmen eigentlich wie Korken auf dem Wasser. So ging es munter und flott die ersten paar Kilometer voran, bis wir an die Abzweigung vor dem alten Wasserkraftwerk bei Schlossböckelheim kamen. Dieses umfährt man eigentlich auf einem Kanal, der ein paar 100 m vorher abzweigt und durch ein kleines Wehr abgetrennt ist. Durch das viele Wasser war das Wehr aber komplett überspült, allerdings auch mit ein paar Walzen. Thomas konnte das mit seinem Hartschalenkajak fahren, Susanne und mir war dieses Wehr als Einfahrt in den Kanal aber zu haarig und wir umtrugen es lieber ein paar Meter.

 

Ein paar Meter unterhalb des Wehrs war zwar immer noch satt Strömung, das sah für mich aber fahrbar aus. Allerdings stand durch den hohen Wasserstand der ein oder andere Baum vom Wasser umspült in der Fahrstrecke. Aber da gab es eine Lücke wo ich davon ausging, dass ich da mit paar ordentlichen Paddelschlägen schon durchkommen werde.

 

Thomas begutachtete die Stelle auch vom Ufer aus und meinte zu mir: „Pass höllisch mit vom Wasser umspülten Bäumen auf! Unterschätze die Strömung nicht und fahr auf keinen Fall auf den Baum, sonst haut es dich aus dem Boot. Wenn ich euch wäre, würde ich noch paar Meter weiter umtragen, bis keine Bäume mehr in der Strömung sind.“ Ich entgegnete nur: „Ach was, Versuch macht klug, das bekomme ich schon hin.“ Er nur: „OK, Verkack es aber nicht!“

 

Also setzte ich mein Kajak ins Wasser und es ging sofort ab. Ich trieb auf den Baum zu, machte einige energische Paddelschläge, um in die Lücke um den Baum zu kommen und zack, schon hing ich im Baum mitten im Fluss. Also eigentlich hing das Kajak unter Wasser im Baum, um 90° abgeknickt und von der derben Strömung um den Baum gewickelt, während ich irgendwie halb im Wasser draufstand, mich mit einem Arm um den Baum klammerte und mit dem anderen noch das Paddel in der Hand hielt. Wie das genau passiert ist? Keine Ahnung, der Moment ist irgendwie nicht mehr präsent.

 

Aber da stand ich jetzt blöd in der Strömung und musste irgendwie das Boot losbekommen. Also zerrte und machte mit viel Kraft am Kahn rum, bis ich ihn halbwegs wieder aus dem Wasser ziehen und um den Baum schieben konnte. In dem Moment wo das Boot um den Baum war, griff es aber die Strömung und zog es blöderweise sofort weg. Da ich mit einer Hand aber noch an einer Halteschlaufe war, zog es mich hinter her und ab ging es.

 

In einer Hand das Paddel, in der anderen das Boot mittels Halteschlaufe und ich voll im Bach. Zum Glück mit Schwimmweste und Neopren, was mich oben hielt. Ich versuchte erst irgendwie mittels Fußschlag ans Ufer zu Schwimmen, aber ich hatte keine Chance, die Strömung zog mich in die Mitte des Flusses. Und was kam dann plötzlich an? Susannes Kajak, Kiel oben… Ach nee! Sie hatte es also wohl auch probiert und genauso verkackt wie ich, aber wo war Susanne?

 

Wie auch immer schaffte ich es, noch ihr Boot an einer der Halteschlaufen zu erwischen, also mit der Hand in der noch das Paddel war. Die Strömung riss mich jetzt unkontrolliert weiter, in jeder Hand ein Boot, in einer Hand noch ein Paddel und ich im Wasser. Netterweise kamen noch paar Schwellen durch Steine im Wasser, durch die es mich doch etwas unsanft zog und ich mir schön die Schienbeine aufriss. Ich war dem Wasser völlig ausgeliefert und konnte so nichts machen, außer versuchen nicht in Panik zu geraten und mich treiben lassen, bis mich die Strömung irgendwo ans Ufer drückt. Ein ganz beschissenes Gefühl. Mit einem Boot in jeder Hand lässt es sich nicht mehr gut aktiv Schwimmen, aber die Boote wollte ich auch nicht verlieren. Glücklicherweise schaffte ich es nach etwa 400 m, mit beiden Kajaks und dem Paddel, an einer seichten Stell anzulanden. Da war ich dann echt mal erleichtert, aber das Nächste was mir durch den Kopf ging: Wo zur Hölle ist Susanne?????

 

Kurz darauf kam schon Thomas angepaddelt und meinte Susanne sei an der gleichen Stelle wie ich gekentert, verlor aber ihr Boot, konnte so aber an Land schwimmen. Sie machte sich dann zu Fuß auf durch das Uferdickicht um zu uns zu gelangen. Nach gut 20 Minuten war sie dann bei uns. Leider hatte sie einen der Neoprenschuhe beim Kentern verloren und musste so halb barfuß durch die Brennnessel- und Brombeermacchia am Ufer. Dementsprechend malträtiert sah der eine Fuß von ihr aus. Ein netter Anblick zusammen mit meinen geschundenen Schienbeinen, aber zum Glück ist keinem was Schlimmeres passiert. Was waren wir froh uns wieder zu sehen und noch beide Kajaks zu haben. Blöderweise war ihr Paddel weg aber glücklicherweise hing im Ufergestrüpp, wo ich angelandet war, irgendein anderes Paddel… Also nahm Susanne einfach dieses als Ersatz, wir waren also wohl nicht die ersten Paddler, die es an der Stelle zerlegte hatte.

 

Immer noch beide den Schrecken in den Knochen fuhren wir dann doch recht defensiv weiter und umtrugen die noch kommenden Wehre großräumig. Eine Badeaktion hatte uns an dem Tag echt gereicht.

 

Der Schluss unter dem Rotenfels durch war dann wenigstens wirklich toll. Aber man sollte wirklich nie die Kraft des Wassers unterschätzen und vor allem gefälligst auf seine erfahrene Begleitung hören!

 

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© Thomas Schaub