Skibergsteigen im Orient (März 2023)

 

Skibergsteigen im Orient? Irgendwo in Ostanatolien? Hört sich erst einmal nicht nach den üblichen Tourengebieten an, lohnte sich aber wirklich! Fünf Skitouren, bei jeder den Gipfel erreicht, mit in Summe 5719 hm in einer Woche bei astreinen Frühjahrsfirnbedingungen in immer bestem Skigelände, was will man mehr.

 

Aber wie kam es dazu? Als ich im August 2021 in der Sommerhitze auf dem Artos Dagi (3537 m) bei Van als Akklimatisierungstour für den Ararat war (siehe: All Inclusive 2021), sah ich die ganzen hindernislosen Hänge überall um uns herum und fragte auf dem Gipfel Yüksel, unseren Guide: „Überall Hänge, wäre hier ein halber Meter Schnee drauf, könnte man hier sicher super Skitouren machen.“ Yüksel daraufhin: „Klar, hier hat es im Winter normal auch ordentlich Schnee und ich bin einer der wenigen in der Türkei, der Skitouren, auch hier, anbietet …“ Und so kam es dann im März 2023 und ich war Teil einer kleinen via Yüksel organsierten vierköpfigen Gruppe. Begleitet wurden wir von Ismet, einer der nur 4 (!) Skitourenguides in der ganzen Türkei und unserem Fahren Ferro. Ausgangpunkt und Stützpunkt war die quirlige Großstadt Van, am gleichnamigen See gelegen, während die Tourengipfel alle südlich davon, in den östlichsten Ausläufern des Taurusgebirges, lagen. Van selbst wird mehrmals am Tag von allen anderen großen Flughäfen in der Türkei angeflogen, so dass sich die Anreise relativ unschwierig gestaltete (ich flog von Frankfurt über Istanbul) und Skigepäck mitzunehmen bei Turkish Airlines kein Problem ist, auch wenn am Schalter die Frage kam „Was wollen Sie in Van mit den Ski???“. Ja, Skifahren und vor allem Tourengehen, ist dort in der Gegen eher ein Exotensport von Gästen, bei den Einheimischen vor Ort gibt es eigentlich keine Tourengeher. Das führt allerdings zu dem angenehmen Nebeneffekt, dass wir nicht eine der Touren gespurt vorgefunden haben! Alle Abfahren waren dementsprechend auch völlig unverspurt.

 

Wie zuvor erwähnte, de Großteil der Berg südlich des Van-See sind nicht sonderlich spektakulär, bieten aber meist hindernislose Hänge (kein Wald, wenig Fels) mit Steilheit bis 30°. Viele Gipfel sind über 3000 m (höchster Gipfel südlich des Sees ist der Baset Tepesi, 3664 m, auf dem wir auch waren) und man kann oft mit dem Auto bis über 2000m als Startpunkt anfahren. Laut Ismet war es relativ schneearm für die Zeit als wir dort waren, aber trotzdem mussten wir kaum die Ski tragen (mal 200 hm bei Tour Nr. 4 und ein paar Minuten bei der letzten), ansonsten konnten wir mehr oder weniger immer vom Startpunkt bis Gipfel mit den Ski an den Füßen.

 

Grundsätzlich kann man dort schon auch auf eigene Faust losziehen, es hilft aber ungemein, wenn man einen türkischen Guide dabei hat, der sich dort auskennt, sonst wird es schwierig, gerade bei wenig Schnee, geeignete Touren zu finden. Da man i.A. auch von den Häusern kleinen abgelegener Dörfer startet hilft es jemand mit zu haben, der sich mit den Leuten dort verständigen kann um zu erklären, was wir da eigentlich machen (größtenteils waren die Leute dort sehr freundlich und unserem Tun gegenüber aufgeschlossen!). Allerdings kann in der Ecke auch mal das Militär Probleme machen, wo dann ohne lokalen Guide gar nichts mehr gehen würde. Das passierte uns bei Tour Nr. 4, als wir vom Dorf Dagyöre aus starten wollten. Als wir im Dorf am Startpunkt der Tour waren, kamen gleich zwei Männer der Dorfmiliz mit umgehängten Sturmgewehren und meinten, dass hier Bergsteigen nicht ist, weil zu gefährlich und sie die Verantwortung hätten, wenn uns was passiert. Ismet diskutierte denen länger emotional rum und auch ein Anruf beim nächstgelegenen Militärstützpunk half nichts, und am Ende haben dann halt meist doch die mit den Knarren recht. Tja, da die beiden uns ohne offizielles Schreiben, dass die nicht für uns verantwortlich seien, uns nicht gehen lassen wollten, fuhren wir wieder 15 km zurück in den nächstgrößeren Ort Gevas. Bei der Polizei war Ismet nicht erfolgreich, die verwiesen uns an den Kommandanten des Militärstützpunktes. Also dort hin, längeren Diskussion, unsere Pässe wurden gebraucht, aber letztendlich gab es ein Schreiben vom Kommandanten, dass wir die Tour auf eigene Verantwortung machen durften. Mit dem Schreiben dann noch zum Rathaus, dort das OK holen und wieder die 15 km zurück ins Dorf. In der Zwischenzeit hatte wohl das Militär bei der Dorfmiliz angerufen und siehe da, als wir zurückkamen waren die Sturmgewehre weg, die Kinder da und die beiden Jungs auf einmal total nett zu uns. Die ganze Aktion kostete uns zwei Stunden und ohne Ismet wäre da sicher nichts gegangen, wobei sie hier auch hartnäckig dran blieb (wir wären auch zu einem anderen Ziel gefahren, aber es ging ihr wohl ums Prinzip, dass man genau dort auch Skitouren machen darf). 

 

 

Hier die Details zu den einzelnen Touren, die wir gemacht haben. Ein Skitourenführer für das Gebiet ist nicht verfügbar, aber ob der Anzahl der Hänge und Gipfel ist das Potential dort sehr hoch, eine der Touren die wir gemacht haben (Nr.3) war anscheinend auch die erste Skibeststeigung des Gipfels. Meist hängt es davon ab, dass man mit dem Auto einen geeigneten Ausgangspunkt finden kann, die Gegend ist doch eher weitläufig. Wer es, wie ich, organsiert machen will, hier der Link zu Caria Pan über die ich das gebucht habe, ist wohl aktuell auch der einzige Anbieter für sowas:                      www.alpine-turkey.com/skitour

 

 

Tour Nr. 1: Gipfel (2925 m) bei Görentas, 858 hm, bis 35°. Eine eher kürzere Tour, aber es war auch unsere Eingehtour. Man startet hinter den letzten Häusern und dann geht es im Prinzip über mehrere Rücken bis zum Gipfel. In der Abfahrt dann aber sobald möglich in den großen Gipfelhang bis auf 2320 m, dann nochmal 100 hm Gegenanstieg zurück auf die Aufstiegspur, damit man am Startpunkt rauskommt.

 

 

Tour Nr. 2: Baset Tepesi (3664 m), Startpunkt Sapakonak, 1135 hm, bis 40° (kurz). Sehr schöne Toru auf den höchsten Gipfel südlich des Van-See. Es geht mehr oder minder direkt vom Ort an bzw. auf einem Rücken immer steiler werdend zum Gipfel. Auf diesem wird ein umfassendes Panorama geboten, wie man es halt so von einem höchsten Gipfel in einer Region hat. In der Abfahrt dann auch sobald wie möglich, kurz recht steil, in den riesigen Gifpelhang um dann 1000 hm hindernislos genüsslich abzufahren. Lawinenlage sollte man aber hier für die Abfahrt im Auge haben.

 

 

Tour Nr. 3: Gipfel (3166 m) bei Yukari Narlica, 1002 hm, bis 30°. Gemäß Ismet haben wir hier die erste Skibesteigung des Gipfels, und damit auch erste Abfahrt von selbigem, durchgeführt. Die untere Hälfte geht durch ein Tal, was eine Art natürlicher Halfpipe ist (sehr lustig in der Abfahrt!), in der oberen Hälfte dann sehr schöne, großzügige und hindernislose Hänge. Abfahrt wir Aufstieg.

 

 

Tour Nr. 4:  Gipfel (3140 m) bei Dagyöre, 1140 hm, bis 30°. Unten ein Tal dann in den oberen 2/3 schöne Hänge bzw., zum Gipfel noch ein Stück über einen Rücken. Bei der Toru hat man einen wunderbaren Ausblick auf den Van-See und auf den benachbarten, mächtigen Artos Dagi. Abfahrt wie Aufstieg ohne besondere Schwierigkeiten.

 

 

Tour Nr. 5: Artos Dagi (3537 m), Startpunkt Gevas, 1584 hm, bis 40° (kurz). Das Highlight, sowohl was Landschaft als auch die Tour an sich angeht. Ob der Länge braucht es doch etwas Kondition, es geht aber ohne jedwede Flachstücke recht direkt hoch. Da der Artos Dagi direkt am Van-See steht, immer eindrücklicher Seeblick. Die untere Hälft der Tour geht hier durch enge und teils steile Rinnen (für deren Begehung es eine stabile Lawinenlage wie bei Firn im Frühjahr bracht). Dann weite Hänge in einem großen Kessel und zum Schluss noch 200 hm über einen steilen Rücken mit Ski zum Gipfel, falls nicht freigeblasen (bei uns lag zum Glück genügend Schnee). Abfahrt wie Aufstieg. Gerade die Rinne im untern Teil sind bei Butterfirn, wie wir ihn hatten, eine Mordsgaudi. Ok, man sollte dort seine Ski schon beherrschen, da rechts und links Fels.

 

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© Thomas Schaub