Grepon - Mer de Glace, einer der ganz großen Klassiker im Mont Blanc Gebiet!
1911 erstbegangen, 850m Wandhöhe, mehr als 1000 Klettermeter, stramm 5c (will den sehen, der den finalen Knubel-Riss frei für 5c zieht...), und genau 0 Bohrhaken in der ganzen Route.
Der Fels ist super und sich über viele Stunden, immer auf der Wegsuche, durch dieses ostseitige Meer aus Granit zu bewegen war schon fantastisch. Mitunter das Eindrücklichste, was ich bislang geklettert habe und die Bedingungen hierfür waren am 29.06.25 perfekt. Ich zitiere hier mal den Piola-Führer: „An exceptional and grandiose route taking a clever line up a complex face, where the difficulties get progressively harder. Excellent granite: this is one of the best classics in the Mont Blanc massif“. Allerdings war es ein sehr langer und anstrengender Tag (20 h Tour), Bergstiefel, Steigeisen und Pickel etc. wollten auch durch die Tour getragen werden. Trotzdem ganz große Empfehlung für diejenigen, die klassische Alpinrouten im allerbesten Setting mögen, aber man sollte mir einigen Reserven rein, wir kamen letztendlich grad so um ein Biwak rum. Auch ist ein Rückzug über die Route sehr schwierig, da die Stände nicht eingerichtet sind und die Abseilpiste auf der Westseite runtergeht, ergo man die nur über den Gipfel erreicht. Mit Stefan war ich mit meinem routinierten und zuverlässigen Alpinpartner auf der Tour, der auch mal wieder die schwersten Längen führte.
Ende Juni ist heutzutage wohl der beste Zeitpunkt für diese Tour, da hier noch der Bergschrund vor dem Einstieg gut zu machen ist, der spaltig-zerrissene Nantillon-Gletscher noch halbwegs ok im Abstieg ist aber die Wand schon mehr oder minder schneefrei ist.
Von der uns bekannten und toll gelegene Envers-Hütte ging es bei bestem Wetter um 04:30 Uhr los und über den Trélaporte-Gletscher zur am höchsten hochziehenden Schneezunge. Um zwei mächtige Querspalten durften wir uns herumarbeiten um gegen Ende im 50° steilen Firn an den Einstieg zu gelangen. Das dauerte etwas und um 6 Uhr waren wir dann auch im Fels und wach.
Im unteren Teil ist die Linie wenig klar und man hat auch nicht wirklich einen Orientierungspunkt, wo es hingeht. Das Gelände ist alles irgendwo im Dritten bis Vierten Schwierigkeitsgrad. Auch an Fixmaterial steckten nur ab und an mal ein Normalhaken. Um zügig voranzukommen gingen wir die ganze untere Wandhälfte gleichzeitig am gleitenden Seil, Stefan voran, mehr oder minder immer schräg links aufwärts und an der Tour Rouge-Hütte vorbei. Den 4c Kamin dort verpassten wir und machten uns weiter links an ein paar feinen Rissen hoch. Danach kam zweier/dreier Gelände für ein paar hundert Meter und wir glaubten auch schon den markanten Block zu erkennen, den man erwischen musste, um an die Abseilstelle zu gelangen, welcher den Zugang zum großen Rücken ermöglicht, der vom Hauptgipfel herunterzieht und den Weiterweg bildet. Die Wegfindung kostete Zeit und wir erreichten den Block um etwas 10 Uhr. Nach der Querung nach links erreichten wir dann auch die Abseilstelle und wussten, dass wir hier richtig waren. Hier gab es auch nochmal frisches Wasser, was uns ganz gelegen kam. Von hier aus war jetzt auch ständig der Gipfel im Blick, der aber noch gut 500 m von uns entfernt war und ab jetzt wurde die Kletterei schwerer, weshalb wir auf klassische Wechselführung umstellten. Die Beschreibung wurde jetzt doch etwas rudimentär, aber prinzipiell halt irgendwie auf dem Rücken hoch. Ab und an kamen wir an Normalhaken vorbei, da wusste man zumindest, dass man nicht ganz falsch war (die meisten Stände durfte man eh selbst basteln). Nach einigen Längen an Rissen und Kaminen entlang erreichten wir den markanten Biwakplatz „Niche des amis“, die aber besser „Niche de merde“ heißen sollte, so vollgeschissen wie die war. Durch den Aufwind drückte es mir hier beim Sichern die ganze Zeit den penetranten Scheissegestank in die Nase, nicht so geil. Hier ging es in einer formell 4c Verschneidung weiter, da hätte man aber auch 5c dranschreiben können… Dann wieder einige Längen Risse und Kamine, laut KleFü an einer ersten Schulter vorbei (wir hatten keine Ahnung, ob wir die getroffen hatten) und weiter zu einer zweiten, die dann aber wegen der im Kletterführer beschriebenen tollen Aussicht auf die Aiguille de Roc eindeutig war. Dann noch einen Riss und wir waren am Quergangsband. Auf diesem dann 40 Meter nach links und dann 40 Meter schräg rechts aufwärts zu den letzten drei Längen der Route, die aber leider auch die kernigsten der Tour sind. Hier war es schon 17 Uhr und nach 9 h Klettern mit den schweren Rucksäcken und jetzt auf gut 3400m Höhe zehrte das schon langsam.
Es half aber nichts, ich machte mich an den 35m-Kamin, de formell „nur“ 4c ist, aber doch zäh war, da wirklich Kaminklettern mit dem fetten Rucksack nicht ging. An einem Rotzstand aus einem wackligen Normalhaken und zwei Keilen holte ich Stefan nach und er durfte sich den sehr ungängigen überhängenden Riss (5c/6a) hocharbeiten. Dann kam noch der berüchtigte Knubel-Riss. Formell der erste 5er im Mont-Blanc-Gebiet, nach heutigen Maßstäben könnte man frei hier auch locker 7- oder so dranschreiben. Das Ding ist einfach ungängig und wie sich der Knubel damals mit Hilfe des Eispickels aber ohne Sicherungen hochgearbeitet ha ist mir echt ein Rätsel. Aber auch das machte Stefan noch und kurz nach Sechs waren wir zerfleddert aber glücklich an der Gipfelmadonna.
Stefan rief dann erst mal auf der Plan de L´Aiguille-Hütte an, um Bescheid zu geben, dass wir es zum Abendeessen nicht Mehr schaffen und es wohl eher 22 Uhr wird. Der Hüttenwird meinte nur „kein Problem, ich stell euch Essen und was zu trinken auf den Tisch im Gastraum.“
Das Wasser war mittlerweile aus und wir machten uns an den langen Abstieg. Zuerst zweimal von der Balfour brèche schräg links zum markanten Gendarm abseilen. Blöderweise hingen der Gipfel jetzt in den Wolken und damit war auch die Sicht recht mies. Dann kam die Abseilpiste die Wand auf den Nantillon-Gletscher runter. 7 Abseilen je 40-50 Meter, teils im Nebel, wodurch das Auffinden der Abseilstände auch etwas dauerte. Dadurch erreichten wir erst um kurz nach 20 Uhr den völlig aufgeweichten Nantillon-Gletscher. Ich hatte mittlerweile auch schon übel Durst und außer einem Müsli zum Frühstück und drei Rollen Haribo-Roulette den ganzen Tag auch nichts gegessen. Pickel raus, Steigeisen an und angeseilt den zerschrundenen Gletscher runter. An einer Stelle sah man dann schön schwarze Löcher im Schnee, wo von den Vorgängern wohl schon einige durch eine dünne Schneebrücke in eine Spalte durchgebrochen waren. Ich war also gewarnt und nahm deshalb etwas Anlauf, aber mein rechtes Bein brach trotzdem in die Spalte. Geistesgegenwärtig nutzte ich den Schwung und machte eine Köpfer nach vorne in den Schnee um auf der anderen Seite der Spalte zu landen. Puuh, nochmal Glück gehabt, aber ich wäre im Zweifel auch noch angeseilt gewesen und Stefan schon hangabwärts (bei ihm hatte das mit dem drüberspringen geklappt…).
Um 21 Uhr erreichten wir den Felsen Rognon, über den noch ein paar Abseilen folgen sollten. Es dauerte etwas, bis wir den ersten gebohrten Abseilstand fanden, weil es erst noch einige Meter im Blockgelände abkletternd runter ging. Am Stand angekommen konnten wir einen wundschönen Sonnenuntergang über den Aiguilles Rouges beobachten, was aber von dem her nicht so prickelnd war, weil noch mindestes 4 Abseilen folgten und wir wenig Lust hatten, die im Dunkeln finden zu müssen. Eigentlich sollten es 20-30 m Abseilstellen sein, aber selbst mit dem 60 m Doppelseil fand Stefan keinen weiteren Abseitsstand und wir mussten improvisieren und einen Abseilstand an einem Block mit Schlingen bauen. Das alles kostete Zeit, weil zudem das Seil noch übel krangelte und langsam wurde es echt dunkel. Aber wenn es schon Scheisse läuft, dann richtig, weil ich Depp dann noch mein Abseilgerät runterfallen ließ, was sich unauffindbar verabschiedete. Saudumm. D.h. ich musste dann bei den weitern Abseilstellen erst mal das Abseilgerät von Stefan als hochziehen, das sorgte noch gerade dafür, dass wir schneller wurden. Im mittlerweile Dunkeln seilte Stefan mutig mit der Stirnlampe ins Dunkel ab in der Hoffnung irgendwas zum Abseilen zu finden. Nach einem weiteren Schlingenstand, den mal jemand anderes gebastelt hatte fand er dann zum Glück im Dunklen für die letzten beiden Abseilstellen die gebohrten Stände der eigentlichen Abseilpiste, wo auch immer wir oben falsch abgebogen waren. Ich sage mal so, im unbekannten Gelände nachts abseilen ist nicht so er Bringer, aber Stefan hatte das gut gelöst.
Um 23 Uhr waren wir dann endlich fertig und stolperten im einfacheren Gelände zur Plan de L´Aiguille-Hütte. Nach einer Stunde kamen wir an einem Bach vorbei und ich habe mich schon lange nicht mehr so auf klares, kaltes Gebirgswasser gefreut, weil ich mittlerweile einen Riesendurst hatte. Um 0:45 Uhr erreichten wir endlich die Hütte und siehe da, im Gastraum brannte noch das Licht. Und was stand dort auf dem Tisch für uns? Suppe, Hühnchen, Reis, Käseplatte, Kuchen und jedem ein Bier (für mich sogar Alkoholfrei). Der Hüttenwirt war wirklich ein Schatz und wir fielen wie ausgehungerte Tiger über das Essen her.
Das war wirklich mal eine epische Bergtour die wir beide wohl so schnell nicht vergessen. Absolut lohendend, aber so was brauche ich echt nicht zu oft, da war ich dann schon am Limit.