Einen wunderschönen Sonnenaufgang über dem Wolkenmeer auf 5895 m Höhe zu erleben und weit und breit ist nichts annähernd Hohes: Jetzt waren wir dann doch auch mal auf einem der sogenannten Weltberge und zwar dem Kilimanjaro (5895 m) als höchsten Gipfel des afrikanischen Kontinents. Wir waren schon auf höheren Gipfeln wie dem Chachani (6075 m), dem Uturuncu (6008 m) oder dem Licancabur (5920) aber auch deutlich schwerer zu besteigenden wie dem Stetind oder dem Nadelhorn. Nur sind diese den Nichtalpinisten normal kein wirklicher Begriff, während den Kilimanjaro irgendwie jeder kennt und wenn man erzählt, dass man dort oben war auch gleich das Interesse nichtalpinistischer Zuhörer geweckt wird. Auch mal ganz nett.
Da er sich in Äquatornähe gut 5000 Meter über das flache Umland erhebt ist dieser freistehende riesige Vulkan ein überaus abwechslungsreiches und interessantes Ziel. Da sollte man als passionierter Bergsteiger schon einmal gewesen sein, gilt er neben seiner Eigenschaft als höchster Gipfel Afrikas zudem als größter freistehender Berg des Planeten und ist immerhin die Nr. 4 unter den dominantesten sowie prominentesten Gipfeln (siehe entsprechenden Wikipediaeintrag). Darüber hinaus war die Tour absolut lohnend und durch die gewöhnungsbedürftigen Rahmenbedingungen vor Ort eine interessante Erfahrung.
Auch wenn der Kilimanjaro als technisch leichter Berg gilt da man einfach hochwandern kann, bringt die Höhe von fast 6000 Metern und die enorme Weitläufigkeit dieses wirklich großen Berges dann doch einen gewissen Anspruch mit sich, weshalb nur 60-70% der versuchten Besteigungen letztendlich erfolgreich sind. Dabei kommt es zu etwa 10-30 Todesfällen im Jahr am Berg, meist durch Höhenkrankheit. Das relativierte sich dann aber bei den im Mittel etwa 30 000 Besteigungen pro Jahr, wodurch der Kilimanjaro doch als sicherer unter den hohen Bergen gilt. Das liegt wohl auch daran, dass man dort eigentlich nicht auf eigene Faust Bergsteigen darf, sondern man sich lokale Führer inklusive Begleitcrew nehmen muss, was zu den zuvor erwähnen gewöhnungsbedürftigen Rahmenbedingungen führt.
Der ganze Kilimanjaro ist nämlich ein Nationalpark, in dem auf reine Manpower gesetzt wird. Hier werden für den Ausrüstungs- und Verpflegungstransport keine Packtiere wie am Ararat geschweige denn Geländewagen wie in den Anden oder Helikopter/Seilbahnen wie in den Alpen eingesetzt. Der ganze Transport wird durch einheimische Trägerinnen- und Träger durchgeführt. Und die Mindestgröße der Crew ist vom Nationalpark vorgegeben, wobei dieses System immerhin zuverlässig Arbeitsplätze vor Ort schafft. Man darf hier nicht Ausblenden, dass Tansania immer noch ein Entwicklungsland ist und die Jobs am Kilimanjaro zwar hart sind, aber anscheinend trotzdem ziemlich begehrt, da deutlich besser bezahlt als die Alternativen vor Ort.
Susanne und ich hatten die Besteigung als Privattour gebucht, was laut Vorgaben eine Crew von 13 Leuten bedingte: Ein Guide, ein Assistant Guide, ein Koch, ein Kellner (!) und neun Träger. Pro Gast mehr kommen dann im Schnitt noch fünf weitere Crewmitglieder dazu, weshalb z.B. die Gruppen von zehn Gästen mit einem Tross von mehr als 50 Leuten auf den Berg zogen. Für uns war es schon überaus seltsam, dass 13 Leute nur wegen uns beiden die acht Tage mit auf den Berg gingen. Allerdings übernachteten wir auch nur in Zelten und alles Essen musste noch mit, was einen entsprechenden Materialaufwand verursachte und man die vielen Träger (max. 20 kg Gepäck pro Träger; wir hatten großen Respekt vor deren Leistungen) deshalb auch benötigte. Das Ganze war mal wirklich weit weg vom Alpinstil: Eine kleine Expedition, dafür immerhin für uns Gäste relativ komfortabel. Bei den etwa 300 Bergsteigern die pro Tag versuchen den Gipfel zu erreichen kann man sich vorstellen, wie viele Leute dort als Begleitmannschaften am Berg rumrennen (wobei es aber in den Camps und auf den Wegen dann doch erstaunlich geordnet und ruhig zugeht). Für uns wurde sogar eine Campingtoilette inkl. Klozelt mitgenommen, was auch die meisten anderen Gruppen dabei hatten mit dem wirklich netten Nebeneffekt, dass entgegen meiner Befürchtungen das Umfeld der Camps dann doch relativ sauber war.
Unsere Crew war auf ihre Art großartig aber auch anstrengend. Die haben sich wirklich unglaublich um uns bemüht und versucht uns möglich alles abzunehmen. Das war aber Susanne und mir, die wir doch beides ziemliche Dickschädel sein können, welche großen Wert auf Eigenständigkeit legen, öfters zu viel. Vor allem war es schwer zu vermitteln, dass wir beileibe nicht so viel Essen können, wie uns dort vorgesetzt wurde. Der Koch Valerian war unglaublich, was der auf seinem Gaskocher im Zelt gezaubert hat, nur bei den Mengen fehlte ihm das Gefühl. Dass wir keine drei warmen Mahlzeiten am Tag, und dann noch zusätzlich eine volle Vesperbox und Vier-Uhr-Tee brauchen, kam irgendwie nicht wirklich an. Andererseits, obwohl ich mir dort ständig wie eine Mastgans vorkam und alles Essen super vertragen hatte, kam ich trotzdem mit drei Kilo weniger auf den Rippen heim, was mir echt ein Rätsel war. Wahrscheinlich hatte er letztendlich doch recht mit den großen Essensmengen. Der Kellner Aloysius brachte uns jeden Morgen um 06:30 einen Kaffee ins Zelt zum Aufstehen, er machte uns mehrmals am Tag Waschwasser, füllt unsere Wasserflaschen und so weiter, während wir uns dabei echt komisch fühlten. Auch die beiden wirklich tollen Guides Godfrid und Revo wollten uns beim Wandern immer was Abnehmen, was wir aber nicht wollten.
Am Gipfeltag kam neben unseren beiden Guides sogar noch ein dezidierter Gipfelträger mit, für den Fall, dass wir unsere Rucksäcke nicht mehr hätten tragen wollten. Selbstredend nahmen wir diesen Service nicht in Anspruch. Susanne musste sich sogar mehr oder minder dagegen wehren, damit ihr der Rucksack am Gipfelaufstieg NICHT abgenommen wurde. Immerhin hatte der Gipfelträger dadurch an dem Tag einen relativ leichten Job. Susanne wurde von der Crew besonders umsorgt und ständig gefragt, wie es ihr geht, ob alles Ok ist, ob man ihr was abnehmen soll etc., was sie irgendwann latent irre machte. Ich hingegen wurde dann doch etwas neidisch, weil es eigentlich nie jemanden von der Crew interessiert hatte, wie es mir geht...
Alles in allem waren es aber wirklich herzliche Jungs, aber wir kommen halt aus Deutschland und damit vom anderen Ende der Servicegedankenskala, wodurch hier doch zwei Welten aufeinandertrafen.
Als Route wählten wir den sogenannten Northern Circuit (83.3 km Wegstrecke und 5663 hm Aufstieg), welche mit acht Tagen auch die längste Route auf den Gipfel ist, dafür aber auch die mit der höchsten Erfolgswahrscheinlichkeit, da man sich hier am besten akklimatisieren kann. Die Route führt von Westen her erst einen Tag durch den Regenwald, bevor es in Moorland des Shira-Plateaus geht. Über das Shira-Plateau (wir nahmen noch den Gipfel „Shira Cathedral“ mit) führte die Route dann durch die Frostschuttwüste auf der weniger besuchten Nordseite des Kibo herum mit weiter Sicht auf die kenianische Savanne.
Diese lag aber jeden Tag unter einer tiefliegenden Wolkendecke, weshalb es war wie im Himmel zu wandern. Weiter ging es gut akklimatisiert zu den ostseitigen Kibo-Hütten auf 4700 m, von wo aus der Gipfelanstieg startete. Dieser begann dann schon zu Mitternacht und zwar zuerst gut tausend Höhenmeter im Stirnlampenlicht dick eigepackt bei etwa -10°C durch die recht schuttige Ostflanke bis zum Gilman-Punkt auf 5685 m am Kraterrand. An dem Tag gaben unsere Guides dann auch mal Gas und wir überholten im Aufstieg die meisten anderen Gruppen, aber Susanne und ich waren auch recht fit und hatten sowas ja schon öfters an anderen hohen Vulkanen gemacht. Vom Gilman-Punkt aus ging es dann flacher noch etwa eine Stunde weiter, bis wir dann kurz vor Sonnenaufgang dann glücklich und noch fit den Uhuru Peak (5895 m) und damit den höchsten Punkt des Kilimanjaros sowie Afrikas erreichtes. Im Gipfelbereich halten sich auch noch die letzten Gletscher des Berges sowie Büßereisfelder.
Kurz nach Ankunft ging dann die Sonne auf und die Atmosphäre dort oben, weit unter uns das Wolkenmeer, war einfach fantastisch bis surreal. Ein Sonnenaufgang auf dem Kilimanjaro zu erleben gehört schon zu den wahren Höhepunkten um Bergsteigerleben, aber hier lasse ich lieber die Bilder sprechen.
Susanne hatte sogar noch vier Fläschchen San Bitter im Rucksack, weshalb wir auch was zum Anstoßen mit unserer Crew hatten. Der Abstieg war dann, wie so oft bei Vulkanen, überaus schnell, da wir die oberen 1000 Höhenmeter im Schutt runterrutschen konnten. Allerdings kam dort auch eine Aufstiegsroute hoch und die langsamen Gipfelaspiranten die hier noch im Aufstieg waren, die hatten schon den Sonnaufgang auf dem Gipfel verpasst und bekamen dann auch noch die Staubwolken der ihnen entgegenkommenden Absteigenden ab. Manchmal hat man einfach kein Glück und dann kommt auch noch Pech dazu.
Letztendlich war die Kilimanjarobesteigung für uns konditionell und technisch doch relativ einfach und dadurch genüsslich, wir hatten allerdings wettertechnisch auch Top-Bedingungen. Außer jeden Tag ein paar Kilometer und Höhenmeter zu Wandern hatten wir nicht wirklich Anstrengungen zu ertragen, die Crew nahm einem ja quasi alles ab, weshalb es sich öfters, trotz Zeltübernachtungen und dem allgegenwärtigen Staub am Berg, mehr wie ein All-Inclusive-Urlaub denn eine Bergtour anfühlte…