Kogelquartett – Klassisches Bergsteigen in den Ötztaler Alpen (August 2024)

 

Langer Zustieg, langer Abstieg, Gletscher, Firn, brüchiger Fels, guter Fels, völliger Schotter, ausgesetztes Gelände in dem Stürzen tabu ist, seilfreies Klettern im IIer Gelände, für den reinen Kletterer zu schrottiges Gelände, für den reinen Bergwanderer eigentlich schon zu schwer, grandiose Landschaft, Gipfelerfolge an eher selten bestiegenen Bergen: Willkommen beim klassischen Bergsteigen!

 

Und genau das taten wir am ersten Augustwochenende 2024 an vier Kogeln rund um das wunderbar gelegene und urgemütliche Ramolhaus (3009 m) in den Ötztaler Alpen. Samstag morgens ging es dafür zusammen mit Nadja und Christian (siehe auch: Spätsaison: Hochtour auf den Fluchtkogel im Oktober) in Obergurgl los um erst mal in etwas mehr als drei Stunden zum Ramolhaus aufzusteigen, was man aber durchaus eine schöne Panoramwanderung nennen kann. Unterwegs machten wir noch Bekanntschaft mit einer etwas anhänglichen Schafherde, die wohl beschlossen hatte, dass Nadja für eine Weile deren Leittier ist und uns deshalb munter bis kurz vor die Hütte gefolgt sind.

 

Nach kurzer Rast am Ramolhaus ging es weiter nach Norden auf den vor sich hinschmelzenden Ramolferner. Da dieser so gut wie keine Spalten hat, verzichteten wir guten Gewissens aufs Anseilen und machten uns mit Eisen- und Pickel auf zum Joch zwischen dem Nördlichen und Mittleren Ramolkogel. Zuerst bestiegen wir über den kurzen und unschwierigen Südwestgrat den Nördlichen Ramolkogel (3427 m). Dieser wird noch verhältnismäßig oft bestiegen, ist er doch der leichteste Gipfel in der Umgebung des Ramolhauses und gerade noch so für den geübten Bergwanderer erreichbar. Die Hütte selbst wird ob der tollen Lage wohl auch oft als Ziel von Wanderern aufgesucht, ohne dass Gipfel dort besteigen werden.

 

Nach diesem Warm-Up machten wir uns dann an den deutlich längeren und auch anspruchsvolleren Nordostgrat auf den Mittleren Ramolkogel (3518 m). Dieser ist durchgehend recht luftig und fallen darf man nie, mit Kletterstellen bis in den zweiten Grad. Die Felsqualität ist als variabel zu bezeichnen, aber immerhin überall dort fest, wo man die Hände aus den Taschen nehmen muss. Es ist schon ein tolle Himmelstreppe die bei guten Bedingungen, wie wir sie hatten, echt Spass macht. Auf das Seil verzichteten wir in dem schuttigen Gelände lieber, auch wenn es, recht erratisch verteilt, sogar ein paar neue glänzende Bohrhaken zum Sichern gehabt hätte. Für wen auch immer… Ohne Probleme erreichten wir den tollen Gipfel. Auf den Übergang zum großen Ramolkogel verzichteten wir dann lieber, um es noch zeitig zum Abendessen in die Hütte zu schaffen, wir durften den ganzen Grat ja schließlich auch wieder abklettern, was dauerte.

 

 

Am Sonntag war dann zuerst der Hintere Spiegelkogel (3426 m) unser Ziel. Laut Alpenvereinsführer aus dem Jahre 2006 „wird gelegentlich besucht, für Geübte lohnend“. Direkt hinter dem Ramolhaus ging es dazu recht steil über den Ostpfeiler (alte verblichene Markierungen und Steinmänner zur Orientierung), wieder mit Kletterstellen bis II, im eher blockig-schuttigen Gelände bis auf den Nordostgrat. Dieser ist dann eine wunderbare Schneide, die sich bis zum Gipfel zieht. Recht ausgesetzt, aber gut machbar bis II in brauchbarem Fels. Nach dem doch langen Grat erreichten wird dann das unerwartet große Kreuz, was einen doch wundert, wenn man bedenkt, dass der Gipfel wirklich nicht oft bestiegen wird. Egal, es taugte immerhin für eine gescheites Gipfelfoto.

 

Der ursprüngliche Plan war eigentlich den südseitigen Grat abzusteigen um zur Firmisanschneide zu gelangen. Der Beginn des Abstieges war dann aber für meinen Geschmack dann doch zu brüchig in Kombination mit dem sehr ausgesetzten Gelände. Ich habe mit ausgesetztem Gelände im Prinzip kein Problem, solange ich mich halbwegs drauf verlassen kann, dass das Material hält, an dem ich mich festhalte. Das hier war mir einfach zu heikel. Christian und Nadja hatten Verständnis für meine Bedenken, ergo Planänderung und ab in die entgegengesetzte Richtung auf den selten bestiegenen kleinen Ramolkogel (3349 m). Dies bedeutete zuerst den ganzen Nordostgrat wieder abzuklettern und weiter nach Norden bis zum Ramoljoch, wo auch der Weg nach Vent rüberführt. Vom Ramoljoch aus weiter auf dem Südgrat zum Kleinen Ramolkogel. Hier ist angeblich Kletterei bis I gefordert, es fühlte sich teils aber irgendwie komischer an. Die Felsqualität war dort wirklich extrem variabel von richtig festem Gneis, über Blockmikado bis zu völligem Rutschschotter, vor allem auf den letzten Metern zum Gipfel. Da war es dann Nadja, die darauf keinen Bock hatte und kurz vor dem Gipfel wartete. Verständlich, angenehm war das Gerutsche im Steilschotter hoch, und vor allem runter, nicht wirklich, aber wie sagen die Sachsen so schön „S´ging ooch“. Auf dem Kleinen Ramolkogel war dann ein dem Gipfel angemessenes Kruzifix als Gipfelkreuz und ein schönes neues Gipfelbuch. Wir waren erst die Dritten in dem Jahr auf dem Gipfel, was mich nicht wundert. Aber das ist halt noch richtiges Bergsteigen!

 

Dann wieder den Bruch retour bis zum Ramoljoch und Abstieg zur Hütte. Das waren dann 4.2 km reine Gratkraxelei im ausgesetzten Gelände. Fantastich, aber man muss die ganze zeit sehr konzentriert bleiben, weil Fallen war meistens nicht drin.

 

Als Rückweg wählten wird dann den etwas längeren Weg über die Piccard-Brücke und an der Langtalereckhütte vorbei, so dass es alles in allem eine nette Rundtour war. In Summe hatten wir uns an dem Wochenende dann 2413 Höhenmeter und 32.2 km Wegstrecke in die Oberschenkel gedrückt aber immerhin ein Kogelquartett voll bekommen! Die Tour ist eine Empfehlung für den versierten Bergsteiger, der es gerne etwas ruhiger hat.

 

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© Thomas Schaub